stfndw.com https://stfndw.com/ Stefan Niederwieser Discohütte Tue, 03 Oct 2023 10:11:34 +0000 en-US hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.4.4 New York 1973: Disco, Salsa, Punk, Hip Hop https://stfndw.com/2023/musik/new-york-1973-urknall-disco-salsa-punk-hip-hop/ Sat, 22 Jul 2023 12:30:33 +0000 https://stfndw.com/?p=17084 New York ist ein Rattenloch. Die Stadt ist 1973 beinahe bankrott. In Ruinen entstehen dort Disco,  Salsa, Punk und Hip Hop. [Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, Dezember 2022] Die...

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New York ist ein Rattenloch. Die Stadt ist 1973 beinahe bankrott. In Ruinen entstehen dort Disco,  Salsa, Punk und Hip Hop.

[Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, Dezember 2022]
Ö1 Radiokolleg New York 1973 - Teil 1 - Disco Ö1 Radiokolleg New York 1973 - Teil 2 - Salsa Ö1 Radiokolleg New York 1973 - Teil 3 - Punk Ö1 Radiokolleg New York 1973 - Teil 4 - Hip Hop

Die Polizei ist korrupt, Häuser stehen leer, Lehrer streiken, Kanalarbeiter streiken und die U-Bahnen sind vollgesprüht. Fast eine Million Menschen haben Manhattan innerhalb von etwa fünfzig Jahren verlassen. Der Großstadtdschungel – Greenwich, Harlem, das East Village und die Bronx – bietet den fauligen Humus für einen Urknall der Popmusik. Sie wird in ihren buntesten Communities neu erfunden. Etwa in der Wohnung von David Mancuso – bald als The Loft bekannt -, wo mit dessen außergewöhnlichen Diskografie Parties gefeiert werden. Disco wird bald zum Sound der Stunde. Einige Blocks weiter sperrt mit dem CBGB’s die Keimzelle von US-Punk auf. Weiter nördlich feiern Teenager die erste Hip Hop Party. Und nicht zuletzt bekommen lateinamerikanische Tänze mit dem Begriff “Salsa“ eine klar urbane Note.

Disco

“Paaar-ty! Paar-ty!”, so leitet Vince Aletti seinen bahnbrechnenden Artikel für den Rolling Stone im September 1973 ein, in dem er erstmals die Disco-Bewegung beschreibt. Diskotheken wären mit voller Wucht zurück, schreibt er – und führt die Leser:innen in eine verborgene Welt, in der ein vorwiegend schwarzes, latin und schwules Publikum zu ganz diverse Musikstile – Funk, europäische Importe, westafrikanische und afrokaribische Vinyls – nächtelang feiert. Radios und Labels springen rasend schnell auf. Zwei Jahre sind in den mittlerweile rund 300 Discos der Stadt etwa 200.000 Leute an einem Wochenende unterwegs. Sie tanzen in Ruinen.

Salsa

Salsa gibt es bereits viel länger. Aber vor fünfzig Jahren finden ein paar Lateinamerikaner in New York eine griffige Bezeichnung, um all die karibischen Musikstile zusammenzufassen, die mit der Arbeitsmigration in die Stadt gelangen. Mambo und Yambú, Cha-Cha-Cha und Rumba, Guaracha, Pachanga und Merengue vermischen sich in New Yorker Salsa, zu einem Stil, der vor allem in Tanzsälen, auf Festen und in Schulen lebendig wird. Die Gruppe Fania All-Stars füllt 1973 ein New Yorker Football-Stadium und wird zu den Aushängeschildern einer hybriden Identität von vielen Lateinamerikanern in New York.

Punk

Im CBGB’s treten bald schon die wichtigsten Punk-Bands der USA auf, Patti Smith, Richard Hell, die Ramones, Iggy Pop und die Stooges, Blondie und viele mehr. Das Lokal ist innen bedeckt mit Stickern und Graffiti, die Gegend ist eine der schlimmsten und gefährlichsten in Manhattan. Im Sommer stürzt das Mercer Arts Center in Greenwich Village ein, in dem zwei Jahre lang viele Künstler:innen und Musiker:innen aufgetreten sind. Sie suchen eine neue Bleibe und finden sie im CBGB’s. Während im Rest der USA die klassischsten aller Classic Rock Songs geschrieben werden, vermischen sich Energie, Selbermachen und Amphetamine zu einem brandheißen Cocktail.

Hip Hop

Im Sommer findet in einem Häuserblock in der südlichen Bronx eine Revolution statt. Der schwarze Teenager DJ Kool Herc hatte schon einige Monate lang auf Parties gezielt die rhythmischen Breaks bestimmter Funk- und Soul-Platten angespielt. Auf zwei Plattenspielern wiederholt er diese Loops mit zwei Versionen desselben Breaks. Beim Back To School Jam in der 1520 Sedgwick Avenue aber beginnt er, kurze Passagen zu rappen. Seine Parties ziehen bald Massen an, auch weil er das lauteste Soundsystem in der Gegend besitzt. Hip Hop hat nichts erfunden, aber alles neu erfunden, wird Grandmaster Caz sagen. Neun Jahre später erscheint mit “Rappers Delight” der erste globale Rap-Hit und Jahrzehnte später ist Rap die größte Musikrichtung des Planeten.

Interview-Partner:innen

Interview-Partner:innen sind bzw. O-Töne sind zu hören von Vince Aletti (Autor The Disco Files 1973–78: New York’s Underground Week by Week), Jeremy Gilbert (Podcast Love Is The Message), Noel Hankin (Disco-Betreiber The Best Of Friends und Autor Disco After Dark: Birth Of The Disco Dance Party), Derrick Washington (Kurator Rhythm & Power: Salsa in New York), Frances Aparicio (emeritierte Professorin lateinamerikanische Studien und Autorin Listening to Salsa: Gender, Latin Popular Music, and Puerto Rican Cultures), Chris Molina (Betreiber Salsa Schule in Spanish Harlem), Andrew Berman (Vorstand Greenwich Village Society For Historic Preservation), Ryan Purcell (Autor), Legs McNeil (Autor Please Kill Me – The Uncensored Oral History Of Punk), Mighty Mike C (Musiker Fearless Four), Jeff Chang (Autor Can’t Stop Won’t Stop – A History of the Hip-Hop Generation)

 

“New York 1973: Urknall von Disco, Salsa, Punk und Hip Hop wurde von Angelika Lang für Ö1 eingesprochen und im Jänner 2023 ausgestrahlt]

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Kanadas Musik-Ikonen: Celine Dion, Buffy Sainte-Marie, Grimes, Shania Twain https://stfndw.com/2023/musik/kanadas-musik-ikonen-celine-dion-buffy-sainte-marie-grimes-shania-twain/ Mon, 02 Jan 2023 12:32:28 +0000 https://stfndw.com/?p=17056 Kanada ist in der Popmusik zur Supermacht geworden. Das liegt neben gezielter Förderung auch an Musik-Ikonen wie Celine Dion, Buffy Sainte-Marie, Grimes und Shania Twain. [Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1...

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Kanada ist in der Popmusik zur Supermacht geworden. Das liegt neben gezielter Förderung auch an Musik-Ikonen wie Celine Dion, Buffy Sainte-Marie, Grimes und Shania Twain.

[Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, Dezember 2022]
Ö1 Radiokolleg - O Kanada - 01 - Celine Dion Ö1 Radiokolleg - O Kanada - 02 - Buffy Sainte-Marie Ö1 Radiokolleg - O Kanada - 03 - Grimes Ö1 Radiokolleg - O Kanada - 04 - Shania Twain

Musiker wie Drake, The Weeknd oder Justin Bieber – alle von der Halbinsel Ontario – dominieren internationale Charts wie auch Streaming-Plattformen. Früher war das nur in Ausnahmen so. Anfang der 1970er wurden Quoten fürs Radio beschlossen und kanadische Musikpreise erfunden, um sich gegen die US-Übermacht zu behaupten. Als zur Jahrtausendwende hin die französischsprachige Bevölkerung Québecs mit Abspaltung droht, feiern vor allem Frauen mit Rock, Pop und Chanson internationalen Zuschnitts große Erfolge. Kanadas Musik Ikonen wie Celine Dion und Shania Twain stehen im Fokus dieses Radiokollegs, wie auch die deutlich ältere Cree Buffy Saint-Marie wie auch die höchst eigenwillige Post-Internet-Musikerin Grimes.

Celine Dion

Celine Dion ist die erfolgreichste kanadische Musikerin aller Zeiten. Am Anfang ihrer internationalen Karriere, 1991, soll sie einen Preis für die beste englischsprachige Künstlerin bekommen. Sie lehnt ab, denn das Publikum hätte schon verstanden, dass sie keine Künstlerin ist, die auf Englisch singt, sondern stolz ist, dass sie aus Quebec kommt. In diesen Jahren ist oft die Rede von der Unabhängigkeit, die rund sieben Millionen Menschen entlang des Sankt-Lorenz-Stroms erlangen könnten. Ihre Songs handeln von emotionaler Unabhängigkeit, während sie französische Chansons mit einigen Alben auf Englisch in die Welt reintegriert. In nigerianischer oder jamaikanischer Musik wäre ihr Einfluss unüberhörbar, berichtete das Magazin Vice, das wenige Kilometer von Dions Geburtsort entfernt in Montreal gegründet wurde, Jahre später. 

Buffy Saint-Marie

Nicht viele Musikerinnen können behaupten, eine spirituelle Führungsfigur zu sein. Als der Vietnamkrieg Anfang der 1960er eskaliert, singt die junge Cree auf großen Bühnen über Soldaten wie auch über Schmerzmittel, sie freundet sich mit Bürgerrechtsaktivist:innen an, gründet eine Stiftung für die Ausbildung der indigenen Bevölkerung und verhilft Joni Mitchell zu einer Karriere. Über ihr Album “Illuminations“ von 1969 schreibt das britische Wire-Magazine später, dass es seiner Zeit mit okkulter Elektronik um Jahrzehnte voraus gewesen wäre. Ein Jahr später wird aus ihrem Titelsong zum Film über ein Massaker an den Cheyenne ein internationaler Hit. Einen Oscar erhält sie allerdings erst nach einer längeren Pause, in der sie bei der Sesamstraße für mehr Sichtbarkeit von Indigenen im Land sorgt. Buffy Saint-Marie wird erst im hohen Alter mit zahlreichen Preisen geehrt, so etwa für ihr jüngstes Album, das sie mit fast 75 Jahren veröffentlicht.

Shania Twain

Heute Abend führt sie sich gar nicht politisch korrekt auf, singt Shania Twain, sondern verrückt. Vielleicht zieht sie sich sogar ein Hemd an oder einen Minirock. Der Song “Man I Feel Like A Woman“ von 1997 fordert nicht sehr viel und ist in der konservativen Welt des Country trotz seiner Rollenverteilung mit zwei traditionellen Geschlechtern eine kleine feministische Revolution. Das dritte Album von Shania Twain zielt auf großen Pop ab. In den unbeschwerten Clinton-Jahren erreicht die Musikindustrie ihren kommerziellen Zenith, bevor mit Napster und Co. die Umsätze in den Keller. Mit dem Album “Come On Over” wird ein neuer Typus Country-Pop-Star geboren, der etwa Taylor Swift erst möglich gemacht hat. Selten ist die Welt der ländlichen Kleinstädte Nordamerikas in so simplen Worten und mit so blendender Opulenz eingefangen worden.

Grimes

2012 treibt Grimes mit dem Song “Oblivion“ die Geister aus, die sie seit einem sexuellen Übergriff verfolgen. Das Trauma männlicher Gewalt verwandelt sie in etwas, das fröhlich und harmlos klingt. Im Video sieht man Footballspieler und Motocrossfahrer in ihren leichten Rüstungen durch zwei Stadien in Montreal fahren und aufmarschieren. Das dazugehörende Album “Visions“ schreibt und produziert sie in nur zwei Wochen in einem abgedunkelten Zimmer in Montreal. Sie isst wenig und nimmt umso mehr Drogen. “Visions“ wird ihr Durchbruch. Am Höhepunkt des Tech-Booms der frühen 2010er Jahre schöpft die Musikerin im zweisprachigen Montreal passende Bilder und Töne für ein Zeitalter, in dem Algorithmen neue soziale Verbindungen bestimmen. Wie soll man in diesen neuen Zeiten leben, mit welchen Träumen und Ideen, schien die Künstlerin zu fragen. Diese Hyperrealität, die sich auf Covers und in Videos offenbarte, war chaotisch, widersprüchlich und vor allem verführerisch.

Interview-Partner:innen

Interview-Partner:innen sind bzw. O-Töne sind zu hören von Andrea Warner (Journalistin, Autorin von “Buffy Sainte-Marie: The Authorized Biography“), Baylen Leonard (Journalist, Absolute Radio Country), Buffy Sainte-Marie (Musikerin), Jenna Glatzer (Autorin von “Celine Dion: For The Keeps“), Natalie Weiner (Journalistin, New York Times, NPR, uvm.), Sebastian Behrlich (Literaturwissenschafter, Universität Siegen), Sebastian Cowan (Labelbetreiber, Arbutus Records), Shaneen Robinson-Desjarlais (Indigenous Music Development Coordinator, Manitoba Music)

 

“O Kanada: Vier kanadische Musik-Ikonen” über Celine Dion, Buffy Sainte-Marie, Grimes und Shania Twain wurde von Angelika Lang für Ö1 präsentiert.

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Brasilien: Vier Alben mit Geschichte https://stfndw.com/2022/musik/brasilien-bossa-nova-mpb-hip-hop-funk-carioca/ Tue, 06 Sep 2022 18:23:14 +0000 https://stfndw.com/?p=17019 Brasilianische Kulturgeschichte in vier Alben von Getz Gilberto, Chico Buarque, Racionais MCs und Linn da Quebrada. [Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, September 2022] Im September 2022 feiert Brasilien den...

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Brasilianische Kulturgeschichte in vier Alben von Getz Gilberto, Chico Buarque, Racionais MCs und Linn da Quebrada.

[Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, September 2022]
Ö1 Radiokolleg - Brasilien - 01 - Getz Gilberto - Bossa Nova Ö1 Radiokolleg - Brasilien - 02 - Chico Buarque - MPB Musica Popular Brasileira Ö1 Radiokolleg - Brasilien - 03 - Racionais MCs - Rap Ö1 Radiokolleg - Brasilien - 04 - Linn da Quebrada - Funk Carioca

Im September 2022 feiert Brasilien den 200. Jahrestag seiner Unabhängigkeit. In diesem Radiokolleg wird die wechselhafte Geschichte Brasiliens anhand von vier Alben und ihren jeweiligen Stilen aufgerollt werden: die Bossa Nova der späten 1950er Jahre und die anbrechende Moderne, Musica popular brasileira und ihr Widerstand gegen die Diktatur, Rap und der Mythos einer post-rassistischen Gesellschaft sowie Funk carioca und eine Geheimsprache von Trans-Personen in Brasilien am Vortag einer erzkonservativen Gegenrevolution.

1964 – Stan Getz & Joao Gilberto – Getz/ Gilberto

In Brasilien sind die 1960er Jahre angebrochen und Joao Gilberto fängt die neue Leichtigkeit ein, die an den Stränden von Rio de Janeiro in der Luft liegt, mit seinen neuen Flugzeugen, Fotokameras und fast endloser Freizeit. Eine Bossa Nova, buchstäblich eine neue Welle, vereint Samba mit Jazz. Man sucht in einer Zeit des Wirtschaftsbooms und kultureller Offenheit nach Sounds, die Modernität zum Ausdruck bringen und sich ins Ausland exportieren lassen. Die Welle ebbt 1964 schon fast wieder ab, als “Girl From Ipanema“ und das Album “Getz / Gilberto” erscheinen.

1971 – Chico Buarque – Construção

Música Popular Brasileira – besser bekannt als MPB – wird als Reaktion auf die brasilianische Diktatur geboren, Musikerinnen und Musiker werden damit zur Speerspitze der außerparlamentarischen Opposition. Stilistisch ist alles möglich, Folk, Samba, Rock, Schlager oder Protestlieder – während man sich gleichzeitig ganz bewusst auf nationale brasilianische Wurzeln zurückbesinnt. Rhythmisch und harmonisch wird viel experimentiert. Chico Buarques Album „Construcao“ gilt dabei es als eines der besten brasilianischen Alben aller Zeiten. Darauf vermengen sich symphonische, elektronische und traditionelle Elemente, während Buarque voll sublimer Untertöne die Diktatur kritisiert.

1997 – Racionais MCs – Sobrevivendo no Inferno

Obere und untere Schichten trennen im Brasilien der 1990er weiterhin Welten. Während Brasilien der Welthandelsorganisation beitritt und Soia, Eisenerz oder Öl exportiert, fehlen in manchen Vierteln Strom und Wasser. International sorgen Menschenrechtsverletzungen immer wieder für Schlagzeilen. Die Racionais kennen diese Welten, sie kennen die Sprache der Peripherie, sie kennen aber auch die Sprache der Bildungseliten, der Banken und Medien. Der zentrale Titel des Albums verarbeitet ein nationales Trauma. 1992 brechen in der größten Strafanstalt Südamerikas, dem völlig überfüllten Carandiru-Gefängnis im Norden von Sao Paulo, Kämpfe zwischen Insassen – der Großteil noch nicht verurteilt – aus. Der Komplex wird von der Militärpolizei mit Hunden und schweren Geschützen gestürmt. Die Polizei hat offene Rechnungen zu begleichen. 111 Insassen sind tot.

2017 – Linn da Quebrada – Pajubà

Als Linn de Quebrada das Album “Pajubà“ – benannt nach einer Geheimsprache, die sich in der LGBTQIA-Szene entwickelt hatte – veröffentlicht, ist Brasilien tief gespalten. Die Präsidentin wurde soeben gestürzt, um Ermittlungen gegen den staatlichen Ölkonzern zu verhindern. Die politische Rechte spricht von einer “Gender Ideologie“, die das Land zerstören würde, während in keinem anderen Land der Welt so viele Trans-Personen ermordet werden. Gleichzeitig demonstrieren in Sao Paulo jedes Jahr rund fünf Millionen Menschen auf der Pride Parade für Toleranz und Respekt. Zu ihrer künstlerischen Speerspitze gehört Linn da Quebrada. Damit belebt die Sängerin Funk Carioca, höchst tanzbare Musik, die im Lauf des Jahrtausends immer wieder euphorisch auf der Nordhalbkugel rezipiert wurde.

Interview-Partner:innen

Interview-Partner:innen sind bzw. O-Töne sind zu hören von Bryann McCann (Georgetown University, Kulturwissenschafter), Carolina Borges (Universität Wien, Tranlationswissenschafterin), Dennis Novaes (Universidade Federal de Rio de Janeiro, Anthropologe), Derek Pardue (Universität Aarhus, Kulturwissenschafter), Felipe Trotta (Universidade Federal Fluminense, Musikwissenschafter), Julio Mendivil (Universität Wien, Musikwissenschafter), Pedra Costa (Anthropologin, Performerin)

 

“Brasilien: Vier Alben mit Geschichte” wurde für Ö1 präsentiert von Angelika Lang.

[Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, September 2022]

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Neue Pop Genres: Brand New You’re Retro https://stfndw.com/2022/musik/neue-pop-genres-brand-new-youre-retro/ Mon, 30 May 2022 09:42:00 +0000 https://stfndw.com/?p=17044 Pop-Musik ist nach wie vor voller Zukunft. Neue Genres wie Reggaeton, Amapiano, Afrobeats oder Vaporwave demonstrieren das eindrücklich. [Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, September 2021 sowie Mai 2022] In...

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Pop-Musik ist nach wie vor voller Zukunft. Neue Genres wie Reggaeton, Amapiano, Afrobeats oder Vaporwave demonstrieren das eindrücklich.

[Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, September 2021 sowie Mai 2022]
Ö1 Radiokolleg - Neue Genres - Reggaeton Ö1 Radiokolleg - Neue Genres - Gqom Amapiano Ö1 Radiokolleg - Neue Genres - Vaporwave Ö1 Radiokolleg - Neue Genres - Afrobeats Ö1 Radiokolleg - Neue Genres - Pop Punk Revival

In einer Pop-Gegenwart, die von der Vergangenheit besessen ist, gibt es nach wie vor neue Pop Genres. Sie feiern globale Erfolge oder prägen bestimmte Nischen, sie probieren neue Produktionsmittel oder alte Produktionsmittel neu aus, sie verbreiten sich über ungewöhnliche Kanäle oder drücken den Zeitgeist auf eine Art aus, die von ihrem Umfeld als neu erlebt werden. Oft knüpfen sie an Ausdrucksmittel an, die es bereits jahrzehntelang gibt. Immer sind sie das Reslutat von kulturellen Entwicklungen. Um diese soll es in dieser Musikviertelstunde gehen.

Reggaeton

Die New York Times schrieb 2018 von einem neuen Typ Popstar, der die Gegenwart erobert hatte. Einer der Stile, die ins Zentrum der Diskussion gerückt wären, ist Reggaeton. Jeweils über 7 Milliarden Streams in zwölf Monaten hatten die lateinamerikanische Musiker Ozuna, J Balvin und Bad Bunny alleine auf Youtube zu verzeichnen. In seinen karibischen Anfangsjahren wurde Reggaeton regelrecht bekämpft, Tonträger wurden beschlagnahmt, Aufnahmen sollten noch im Jahr 2002 auf Puerto Rico – einem Außengebiet der USA – reguliert werden. Denn die Themen waren sehr explizit, Drogen, Sex, Kriminialität, und nur gelegentlich mischten sich soziale Untertöne hinzu. Seinen ersten Boom erlebte das Genre in den 2000er Jahren, einen globalen Moment schließlich im Jahr 2017, als der Song “Despacito“ von Luis Fonsi und Daddy Yankee in fast fünfzig Ländern zur Nummer Eins wurde. Trotz eines gehörigen Mass an Misogynie gibt es zahlreiche Sängerinnen, die Erfolge feiern und mit Bad Bunny zudem einen prominenten Unterstützer der queeren Community.

Gqom / Amapiano

Durban am indischen Ozean ist die drittgrößte Stadt in Südafrika. Viele Zulus nennen sie auch eThekwini. Fast zwei Fünftel der Bewohner sind hier jünger als 19 Jahre. In dieser boomenden, subtropischen Stadt wurden vor rund zehn Jahren neue elektronische Grooves geboren, programmiert auf einfachen Rhythmusmaschinen, tanzbar, minimal und hypnotisch, die sich über Messaging-Dienste, in Taxis und auf offene Netz-Plattformen in der globalen Diaspora verbreiten. Das Genre aus den Townships von Durban heißt Gqom – gesprochen mit einem Schnalzlaut zu Beginn – Zulu für “Schlag“ oder “Trommel“. Mit ähnlich reduzierten Mitteln wird heute Amapiano produziert – Zulu für Pianos -, ein Stil, der mit 115bpm deutlich entspannter klingt, als das energiegeladene Gqom. Amapiano dominiert heute die Charts in vielen Ländern südlich des Äquators, einige Künstlerinnen und Künstler produzieren nun in beiden Stilen, Amapiano und Gqom. Zudem finden sich ihre Elemente auch bei großen US-Popstars – Tanzmoves bei Rihanna und Childish Gambino, Beats bei Beyonce und den Gorillaz.

Vaporwave

Vaporwave ist ein Echo der Finanzkrise von 2009. Ramona Langley veröffentlicht mit 19 Jahren ein Album, das als Meilenstein gilt. Unter ihrem Pseudonym Macintosh Plus erscheint 2011 “Floral Shoppe“, das viele Schnittmuster des Genres etabliert – darunter künstliches Bandrauschen, verlangsamte Loops, begleitet von eine Vorliebe für antike Statuen, für Schachbrettmuster und Farben auf dem Spektrum zwischen Violett und Rosa. Der Musikjournalist Adam Harper schrieb in einem grundlegenden Artikel über das Untergrund-Kunst-Genre, dass es „… die technologischen und kommerziellen Grenzen der grimmigsten künstlerischen Sensibilitäten des Hyperkapitalismus des 21. Jahrhunderts erforscht.” Mit der Präsidentschaft von Donald Trump kam es auch zu politischen Diskussionen darüber, warum Vaporwave bei der Neuen Rechten teils sehr beliebt war. Mit Oneohtrix Point Never wiederum hat einer der Pioniere des Genres erst kürzlich ein ganzes Album des vielleicht größten Popstars der später 2010er Jahre, von The Weeknd, produziert.

Afrobeats

Afrobeats ist ein unglücklicher Überbegriff. Erstens fallen darunter viele populäre Stile rund um den Golf von Guinea, zweitens ist die Vorsilbe “Afro“ äußerst verallgemeinernd und drittens kann der Name leicht mit Afrobeat der 1960er Jahre verwechselt werden. Dafür lässt er sich umso einfacher merken. Im Herbst 2020 befindet sich die halbe Welt im Lockdown. “Essence“ von Wizkid aus Lagos, Nigeria, bringt für viele die nötige Entschleunigung. Es wird die erste nigerianische Single, die es in die US-Charts schafft, für Barack Obama ist einer der Songs des Jahres und Justin Bieber verewigt sich auf einem Remix. Die Ursprünge des Genres gehen zurück zur westafrikanische Diaspora auf beiden Seiten des Atlantiks. Neuere Artists wie Tems, Burna Boy oder Fireboy DML entwickeln diesen Soundtrack für entspannte Tage weiter, sie versenden ihn mit Streamingdiensten um die Welt und mit gestimmten Schlitztrommel weben sie zudem einen distinkt lokalen Sound in ihre transnationalen Songs.

Pop Punk Revival

Eine Reihe von Solo-Künstler:innen und Künstler entdecken gerade Power-Riffs und eingängige Refrains für sich wieder, um ihren Platz in der Welt mit Lautstärke auszuloten. Allen voran ist da Olivia Rodrigo, die mit 19 Jahren bei den Grammys abgeräumt hat. Ihr Song “Good 4 U“ hält bei über 1.300.000 Streams und gilt als Speerspitze eines Revivals. Während bei ihr, bei dem unwesentlich älteren Superstar Billie Eilish oder bei der Britin Halsey punkige Gitarren nur Akzente in einem Stilmix sind, tauchen andere viel weiter in einen Stil ein, den sie nicht bewusst erlebt haben. Selbsthass, Drogen oder sexuelle Orientierung sind Themen, die häufiger auftreten als der große Erfolg. Und im Gegensatz zur Jahrtausendwende sind bei der aktuellen Pop-Punk-Welle sind die Musiker:innen diverser und die Szene inklusiver.

 

“Neue Genres” ist eine fortlaufende Reihe über neue Musikgenres auf Ö1, darunter u.a. Reggaeton, Gqom / Amapiano, Afrobeats und Vaporwave.

[Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, September 2021 sowie Mai 2022]

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Arbeit im Pop: Von Fabriken, Fax-Maschinen und Fahrradboten https://stfndw.com/2022/musik/arbeit-im-pop-von-fabriken-fax-maschinen-und-fahrradboten/ Sun, 01 May 2022 16:15:42 +0000 https://stfndw.com/?p=17004 Gleich ob in Fabriken, Feldern, Büros, Bordellen oder vor der Webcam – Popmusik offenbart überraschend viel über unser Verhältnis zur Arbeit. [Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, Mai 2022. Die Idee dafür...

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Gleich ob in Fabriken, Feldern, Büros, Bordellen oder vor der Webcam – Popmusik offenbart überraschend viel über unser Verhältnis zur Arbeit.

[Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, Mai 2022. Die Idee dafür entstand für das Magazin Wiso der AK Tirol]
Ö1 Radiokolleg - Arbeit im Pop -01 - Frauen Gleichstellung Ö1 Radiokolleg - Arbeit im Pop - 02 - Hackler und Tod Ö1 Radiokolleg - Arbeit im Pop - 03 - Gastarbeit Ö1 Radiokolleg - Arbeit im Pop - 04 - Sexarbeit

“Kein Gott, Kein Staat, Keine Arbeit, Kein Geld“, singen Jeans Team aus Berlin im Jahr 2006, während sie im Uptempo mit blauer Arbeitskleidung und Gitarre durchs Unterholz wandern. In wenigen Zeilen verdichtet die Band das ambivalente Gefühl der Globalisierung. Unter offenen Meeren und einem freiem Himmel hallt der kulturkritische Impuls der Wandervogelbewegung inmitten einer global vernetzten Welt nach. Die Kinks, Kurt Ostbahn, Kraftklub, Kraftwerk, Kreisky, Kate Bush oder Kacey Musgraves – sie alle haben Songs über die Arbeit in ihrer Zeit geschrieben, über ehrliche, entfremdete und erfüllende Arbeit, über prekäre und unmenschliche Arbeit. In diesen populären Songs spiegelt sich der Geist ihrer Zeit.

Gleichbehandlung

Dolly Parton taumelt aus dem Bett, sie schenkt sich etwas Ehrgeiz ein und kommt unter der Dusche auf Touren so wie das Großstadtleben vor ihrem Fenster. Von Neun Uhr früh bis um Fünf arbeitet sie, um über die Runden zu kommen. Von ihr wird Hingabe an den Job erwartet, während der Boss ihre Lorbeeren einstreift. Dolly Parton ergeht es so wie Millionen Frauen weltweit, die sich Ende der Siebziger Jahre ihren Weg in die ganze Arbeitswelt bahnen. Ihr Song “9 to 5“ ist kein Produkt des Zufalls. Er entsteht an einem Scheideweg der Gleichbehandlung.

Hackler und Tod

Kurt Ostbahn steht in einer langen Tradition von Lieder über harte, körperliche Arbeit. Schon der legendäre Bluesmusiker Leadbelly singt in den 1930ern über Eisenbahnen, Dämme und Deiche, über Baumwollfelder und einen Käfer, der sich durch die Felder frisst und dadurch Ausbeutung durch reiche Plantagenbesitzer sabotiert. In den 1950ern interpretiert Harry Belafonte einen Calypso, der davon handelt, die ganze Nacht Bananen zu stapeln bis das ersehnte Tageslicht anbricht und er gerade noch auf den Kontrolleur wartet, bis er heimgehen kann. Auch die Beatles haben in “A Hard Days Night“ die ganze Nacht über wie Hunde geschuftet. Aber es lohnt sich, weil sie deshalb Dinge kaufen und glücklich heimkommen können. Harte Arbeit ist Teil des Lebens. Und sie mündet in den Tod.

Gastarbeit

Das von Bomben zerstörte Nachkriegsdeutschland brauchte Arbeitskräfte für sein brummendes Wirtschaftswunder. 14 Millionen Menschen kamen bis zum Jahr 1973 ins Land, dann war Schluss. Ein sehr großer Teil kehrte zurück in die Heimat, ungefähr jedem Sechsten kam jedoch das Leben dazwischen. Einer von ihnen war Metin Türköz. Udo Jürgens andererseits schildert auf “Griechischer Wein“ im Jahr 1974 die Träume und Wirklichkeit von Gastarbeitern, deren Verträge nach der ersten Erdölkrise kurz zuvor nicht weiter verlängert werden.

Sexarbeit

Lieder über Sexarbeit gibt es vermutlich schon so lange wie Sexarbeit selbst. Ihre Bewertung hat sich allerdings grundlegend geändert. Bei großen Rock’n’Roll-Bands wie den Kinks, den Rolling Stones, The Police oder auch Elton John werden Prostituierte eher romantisiert, Liebe ist käuflich und alles andere bleibt vage. Lou Reeds “Walk On The Wild Side“ ist mit seinen Schilderungen von Geschlechtstransformation, Oralsex und Drogen im New York der frühen 1970er jedenfalls eine Ausnahme. Ab den mittleren Achtzigern stellen dann vor allem Frauen Sexarbeit als ehrliche Arbeit von Frauen dar, die vielleicht andere Träume haben, aber nicht gerettet werden müssen. In jüngster Zeit wird etwa betont, dass sich niemand ein Urteil anmaßen sollte, wie jemand ihr oder sein Geld verdient. Bei Beyoncé werden sechs Zoll hohe Absätze werden zu einem Symbol von Stolz und Macht.

Interviewte

Interview-Partner:innen sind bzw. O-Töne zu hören sind von Ariel Ohl (Oehl, Musiker), Christian Seiler (Autor und freier Journalist), Christopher Seiler (Seiler und Speer, Musiker), Esra Özmen (Esrap, Musikerin), Jörg Flecker (Universität Wien, Sozialwissenschafter), Karin Harrasser (Universität Linz, Kulturwissenschafterin), Kem (Kerosin95, Musiker:in), Martin Seeliger (Uni Hamburg, Kultuwissenschafter), Moritz Pisk (Universität Linz, Kulturwissenschaftler), Jan Kawelke (WDR, Journalist), Schorsch Kamerun (Goldene Zitronen, Musiker)

Liste aller gespielten Titel

Teil 1 – Frauen Gleichbehandlung: Titel: 9 To 5, Interpret: Dolly Parton, Komponist: Dolly Parton, Label: RCA Nashville; Titel: 9 To 5 (Morning Train), Interpret: Sheena Easton, Komponist: Florrie Palmer, Label: EMI; Titel: Manic Monday, Interpret: The Bangles, Komponist: Prince, Label: CBS Columbia; Titel: Heigh Ho, Interpret: Snow White and the Seven Dwarfs (soundtrack), Komponist: Frank Churchill, Label: Victor Records, Walt Disney; Titel: Working In The Coalmine, Interpret: Lee Dorsey, Komponist: Allen Toussaint, Label: Amy Records: Titel: Five O Clock World, Interpret: The Vogues, Komponist: Allen Reynolds, Label: Co & Ce; Titel: Big Boss Man, Interpret: Jimmy Reed, Komponist: Luther Dixon, Al Smith, Label: Vee Jay; Titel: She works hard for the money, Interpret: Donna Summer, Komponist: Donna Summer, Michael Omartian, Label: Mercury; Titel: Working Girl, Interpret: Cher, Komponist: Michael Bolton, Desmond Child, Label: Geffen; Titel: This Womans Work, Interpret: Kate Bush, Komponist: Kate Bush, Label: EMI; Titel: Work, Interpret: Rihanna, Komponist: Jahron Brathwaite, Matthew Samuels, Allen Ritter, Rupert Thomas Jr., Aubrey Graham, Robyn Fenty, Monte Moir, Label: Roc Nation; Titel: Bodak Yellow, Interpret: Cardi B, Komponist: Belcalis Almánzar, Dieuson Octave, Klenord Raphael, Jordan Thorpe, Anthony White, Laquan Green, Label: Atlantic; Titel: Woman, Interpret: Doja Cat, Komponist: Amala Zandile Dlamini, Jidenna Mobisson, Lydia Asrat, David Sprecher, Linden Jay, Aaron Horn, Ainsley Jones, Label: RCA

Teil 2 – Hackler und Tod: Titel: Arbeit, Interpret: Ostbahn Kurt, Komponist: Bruce Springsteen, Label: Amadeo; Titel: Banana Song, Interpret: Harry Belafonte, Komponist: Traditional, arranged: Harry Belafonte, William Attaway, Lord Burgess, Label: RCA Victor; Titel: I Got A Job, Interpret: The Miracles, Komponist: Berry Gordy, Label: Motown; Titel: Chain Gang, Interpret: Sam Cooke, Komponist: Sam Cooke, Charles Cooke Jr., Label: RCA Victor; Titel: I wü ned, Interpret: Seiler und Speer, Komponist: Christopher Seiler, Bernhard Speer, Label: Jokebrothers Records; Titel: Deja Vu, Interpret: Seiler und Speer, Komponist: Christopher Seiler, Bernhard Speer, Label: Jokebrothers Records; Titel: Allentown, Interpret: Billy Joel, Komponist: Billy Joel, Label: Columbia; Titel: Arbeit, Interpret: Oehl, Komponist: Ariel Oehl, Label: Grönland Records; Titel: I Need A Dollar, Interpret: Aloe Blacc, Komponist: Leon Michels, E. Nathaniel Dawkins, Nick Movshon, Jeff Dynamite, Label: Stones Throw; Titel: Kisskiss, Interpret: Parov Stelar, Komponist: Marcus Füreder, Label: Etage Noir; Titel: Alors On Danse, Interpret: Stromae, Komponist: Paul Van Haver, Label: Vertigo

Teil 3 – Gastarbeit: Titel: Ahmet Gündüz, Interpret: Fresh Familee, Komponist: Tachiles, Suli Isak, Higgi Kandri, Jörg Müller, Label: Phonogramm; Titel: Fremd im eigenen Land, Interpret: Advanced Chemistry, Komponist: Torch, Linguist, Toni-L, Label: MZEE; Titel: Almanya’da Neler Var, Interpret: Metin Türköz, Komponist: Metin Türköz, Label: Areg Ses; Titel: Maystero, Interpret: Metin Türköz, Komponist: Metin Türköz, Label: Areg Ses; Titel: Griechischer Wein, Interpret: Udo Jürgens, Komponist: Michael Kunze, Udo Jürgens, Label: Ariola; Titel: Es kamen Menschen an, Interpret: Cem Karaca, Komponist: Cem Karaca, Label: Pläne; Titel: Der Tschusch ist da, Interpret: Esrap, Komponist: Esra Özmen, Enes Özmen, Label: Springstoff; Titel: Dies Das, Interpret: Jugo Ürdens, Komponist: Aleksandar Simonovski, Label: Futuresfuture; Titel: Gastarbeiter, Interpret: Eko Fresh, Komponist: Belkan Ögrünc, Ekrem Bora, Label: Seven Days Music; Titel: Gastarbeiter, Interpret: Esrap, Gasmac Gilmore, Komponist: Esra Özmen, Enes Özmen, Label: Springstoff; Titel: Köfte, Interpret: Apsilon, Komponist: Apsilon, Label: Four Music; Titel: Big Drip, Interpret: UFO361, Future, Komponist: The Cratez, Jimmy Torrio, Sonus030, Label: Stay High; Titel: Angst, Interpret: Apache 207, Komponist: Apache 207, Rafael Schmitt, Macloud, Miksu, Furkan Duran & Dominik Cortolezis, Label: TwoSides; Titel: Erfolg ist kein Glück, Interpret: Kontra K, Komponist: Maximilian Diehn, Label: Sony Music; Titel: Artist, Interpret: Esrap, Komponist: Esra Özmen, Enes Özmen, Label: Springstoff; Titel: Hurra die Welt geht unter, Interpret: K.I.Z. ft. Henning May, Komponist: Gee Futuristic, Moses Schneider, KevBeats, Rajesh Roshan & Nico K.I.Z, Label: Vertigo Berlin

Teil 4 – Sexarbeit: Titel: Heavy Cross, Interpret: Gossip, Komponist: Hannah Blilie, Brace Paine & Beth Ditto, Label: Columbia; Titel: Harder Better Faster Stronger, Interpret: Daft Punk, Komponist: Edwin Birdsong, Guy-Manuel de Homem-Christo & Thomas Bangalter, Label: Virgin; Titel: Willkommen im Dschungel, Interpret: Bilderbuch, Komponist: Maurice Ernst, Michael Krammer, Peter Horazdovsky, Philipp Scheibl, Label: Maschin Records; Titel: I Love Stress, Interpret: Bilderbuch, Komponist: Maurice Ernst, Michael Krammer, Peter Horazdovsky, Philipp Scheibl, Label: Maschin Records; Titel: Nie wieder Gastro, Interpret: Kerosin95, Komponist: Kerosin95, Label: BummTschak; Titel: Antisocial, Interpret: Ed Sheeran, Travis Scott, Komponist: Grandmaster Flash, Fred again.., Travis Scott & Ed Sheeran, Label: Atlantic; Titel: Savage, Interpret: Megan Thee Stallion, Beyonce, Komponist: Bobby Sessions, J. White Did It & Megan Thee Stallion, Label: 1501 Certified; Titel: WAP, Interpret: Megan Thee Stallion, Cardi B, Komponist: Frank Rodriguez, Ayo The Producer, Cardi B, Megan Thee Stallion, Pardison Fontaine & KEYZBABY, Label: Atlantic; Titel: Walk On The Wild Side, Interpret: Lou Reed, Komponist: Lou Reed, Label: RCA; Titel: Private Dancer, Interpret: Tina Turner, Komponist: Mark Knopfler, Label: Capitol; Titel: 5 Dollars, Interpret: Christine And The Queens, Komponist: Christine And The Queens, Label: Because Music; Titel: Nice For What, Interpret: Drake, Komponist: Birdman, Raekwon, Glenishe Rowe, RZA, Ghostface Killah, Phil “Triggaman” Price, Orville “Bugs Can Can” Hall, 5th Ward Weebie, Mannie Fresh, 40, BlaqNmilD, Marilyn Bergman, Alan Bergman, The Showboys, Lauryn Hill, Marvin Hamlisch, Brother J, Murda Beatz & Drake, Label: Republic; Titel: 6 Inch, Interpret: Beyonce ft. The Weeknd, Komponist: DJ Khaled, Bacharach & David, DannyBoyStyles, Ben Billions, Geologist, Avey Tare, Panda Bear, Hal David, Burt Bacharach, BOOTS, Belly, The-Dream, Beyoncé & The Weeknd, Label: Columbia; Titel: Arbeit Nervt, Interpret: Deichkind, Komponist: Ferris MC, Sebastian Hackert, Sebastian Dürre & Philipp Grütering, Label: Missglückte Welt; Titel: Kraunknstaund, Interpret: Kroko Jack, Komponist: Markus Höflinger, Label: Irievibrations; Titel: Würstlstand, Interpret: Kreiml & Samurai, Komponist: Kreiml & Samurai, Label: Honigdacht; Titel: Kündigung, Interpret: Euroteuro, Komponist: Florian Seyser-Trenk, Label: Siluh Records; Titel: Salad Days, Interpret: Mac Demarco, Komponist: Mac DeMarco, Label: Captured Tracks

 

“Arbeit im Pop – Von Fabriken, Fax-Maschinen und Fahrradboten” wurde für Ö1 von Angelika Lang präsentiert.

[Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, Mai 2022. Die Idee dafür entstand für das Magazin Wiso der AK Tirol]

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Hamburger Schule: Vom Klang der deutschen Einheit https://stfndw.com/2022/musik/hamburger-schule-diskurs-blumfeld-tocotronic-lassie-singers/ Fri, 04 Mar 2022 13:43:40 +0000 https://stfndw.com/?p=16970 Vor 30 Jahren wurde die Hamburger Schule geboren. Im Windschatten der deutschen Einheit und des aufkeimden Nationalismus treffen diskursive Texte und Kapitalismuskritik aufeinander. [Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, Jänner...

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Vor 30 Jahren wurde die Hamburger Schule geboren. Im Windschatten der deutschen Einheit und des aufkeimden Nationalismus treffen diskursive Texte und Kapitalismuskritik aufeinander.

[Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, Jänner 2022]
R3K Hamburger Schule - 01 - Blumfeld, Badsalzuflen, Brandsätze R3K Hamburger Schule - 02 - Lassiesingers, L7, Liebeslügen R3K Hamburger Schule - 03 - Tocotronic, Traingsjacken, Tellerwäscher R3K Hamburger Schule - 04 - Kosovokrieg, Konsumkritik, Kettcar

Vom komplexen Klang der deutschen Einheit

Bad Salzuflen ist ein Kurort im Regenschatten des Teutoburger Walds. Ausgerechnet dort im norddeutschen Niemandsland finden sich Ende der Achtziger Jahre eine Handvoll junger Menschen zusammen, die ihrem Unbehagen über die neue bundesdeutsche Republik in teils ironischen, teils postmodernen Songtexten einen Ausdruck geben. Viele von ihnen kommen nur wenig später in Hamburg zusammen, wo sie in dieselben Bars gehen, sich dieselben Proberäume teilen und sich mit anderen Leuten anfreunden, die aus der Provinz nach Hamburg gekommen sind. Als sowohl Blumfeld das Album “Ich-Maschine“ und Captain Kirk & “Reformhölle” veröffentlichen, ist kurz darauf in Medien von der Hamburger Schule die Rede. Manche sprechen gar von einer Jugendbewegung, andere von einem letzten Versuch einer Jugendbewegung. Einzelne Songs artikulieren gesellschaftlicher Diskurs, andere subjektive Befindlichkeiten oder Beobachtungen aus dem Alltag.

1989 fällt die Mauer, Monate später gewinnt Deutschland die Fußball-Weltmeisterschaft und schließlich brennen zwei Jahre später Asylheime in Rostock-Lichtenhagen. Die Hamburger Schule setzt dem Nationalstolz andere Bilder von Männlichkeit entgegen, von Sex und Liebe, von Arbeit und wie diese verschränkt sind. Teils werden Wohlfahrtsausschüsse gegründet, um den “faschistischen Angriffen auf Migranten, Schwule, Behinderte, Linke und auf subkulturelle Zusammenhänge zu entgegnen“. Im Lauf der 1990er Jahre werden die Slogans vieler Songs einfacher – und damit die Deals und Konzerthallen größer. Die Frage nach zwei Bands – Tocotronic oder Sterne – wird zur deutschen Version einer Frage nach Beatles oder Stones. Andere versuchen die musikalische Formensprache insbesondere in Richtung elektronischer Musik zu erweitern. Mit den Bands entwickelt sich aus dem Geist der Selbermacherei auch die professionelle Medien- und Label-Landschaft in Deutschland.

Die vier Teile des Radiokollegs behandeln u.a. die Bands Blumfeld, Kolossale Jugend, Die Sterne, Huah!, Mobylettes, Die Braut haut ins Aug, L7, Rocko Schamoni, Egoexpress, Tocotronic, Stella, Bernadette La Hengst, Wir sind Helden, Kettcar, Ja Panik, Gustav. Darüberhinaus Bad Salzuflen, die Sozialgeschichte Hamburgs, das Ende der Geschichte, Anschläge in Rostock Lichtenhagen, die Spex, das Männerbild in der Szene, den Kosovokrieg, die Hauptstadt Berlin oder die Riot Grrrls.

Interview-Partner:innen sind bzw. O-Töne zu hören sind von Bernadette Hengst (Die Braut haut ins Aug, Bernadette La Hengst)
Christiane Rösinger (Lassie Singers), Dirk von Lowtzow (Tocotronic), Frank Spilker (Die Sterne), Kerstin Grether (Journalistin, Musikerin), Jochen Distelmeyer (Blumfeld), Martin Pieper (Journalist FM4), Mense Reents (Egoexpress, Stella), Moritz Baßler (Uni Münster), Sandra Grether (Journalistin, Musikerin), Sonja Eismann (Missy Magazine) und Till Huber (Uni Hamburg)

[Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, Jänner 2022]

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Josef Bauer: Wovon man nicht sprechen kann https://stfndw.com/2022/kunst/josef-bauer-wovon-man-nicht-sprechen-kann/ Fri, 04 Mar 2022 12:46:53 +0000 https://stfndw.com/?p=16977 Über Josef Bauer hat die Kunstwelt viel zu lange geschwiegen. Er liefert wichtige Beiträge zur Avantgarde, nimmt diese teils vorweg. Zu Ludwig Wittgenstein hat er eine besondere Beziehung. Der ungewöhnliche...

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Über Josef Bauer hat die Kunstwelt viel zu lange geschwiegen. Er liefert wichtige Beiträge zur Avantgarde, nimmt diese teils vorweg. Zu Ludwig Wittgenstein hat er eine besondere Beziehung. Der ungewöhnliche Künstler im Porträt.

[Text zuerst erschienen im Magazin des Belvedere 2019]

“Das war in dem Sinn keine Kunst“, sagt Josef Bauer. An einem Badesee sieht er eine Frau von hundert Kilo, es gibt keine Kabinen, nur Umkleidesäcke. Und Josef Bauer sieht wie die Frau in einen hinein schlüpft, nicht mehr auskommt, oben alles zu ist und sie drinnen werkt. “Ich bin sofort heim, habe das mit einer Freundin nachgemacht, das fanden wir lustig“, erzählt er. Die Fotos, die vor fünfzig Jahren entstehen, erinnern an Erwin Wurm und seine One Minute Sculptures. Nur entstehen sie mehr als eine Generation früher. Josef Bauer spielt das herunter, er ist sehr bescheiden, vielleicht mehr als ihm gut tut. Dabei könnte er eines der großen Aushängeschilder der Avantgarde in Österreich sein. Er greift Pop Art früh auf, er schafft medienkritische Arbeiten, frühe Konzeptkunst, beteiligt sich am Aktionismus, er arbeitet mit den Kräften der Natur, auch Franz West verdankt ihm einiges. Aber die Kunstwelt übersieht ihn sehr lange. In seinem Werk bündeln sich bedeutende Strömungen der Nachkriegszeit, seine Geschichte ist aber auch eine darüber, wie der Kunstmarkt funktioniert. Und wie er manchmal versagt.

“Ich mach eigentlich immer, was ich gesehen hab“, entgegnet der 85-Jährige auf die Frage, wie wichtig politisches Arbeiten für ihn ist. 1968 sieht er erstmals Bilder im Fernsehen. In Paris brechen Studentenunruhen aus, die Demonstranten tragen Schilder mit sich, Spruchbänder und Transparente. Seine “buchSTABEN“ sind darauf eine direkte Reaktion. Er wählt die Buchstaben recht einfach aus und macht daraus kein Mysterium. Es haben ihm manche besonders gut gefallen, das K, das U, das O. Weniger gemocht hat er das W, weil es auch schwer mit einer Stange zu verbinden war. Das Fernsehen wollte für einen Beitrag eine Akftion haben, da trägt er die Stangen eben herum. Und weil das Griechenbeisl im Ersten Wiener Gemeindebezirk, wo er sie zuerst ausstellt, eine viel niedrigere Decke hat als eine Galerie in Graz, sind manche “buchSTABEN” länger geworden als andere.

Werk und Autor

In “Werk ohne Autor“, dem rund 20 Millionen teuren Film über Gerhard Richter, gibt der junge deutsche Malerfürst eine Pressekonferenz, er wird bedrängt, soll seine Motive erklären, seine Inspiration und seine Bezüge. Er gibt professionelle Antworten, sie sind kryptisch und rätselhaft, er redet von der Wahrheit, die er sucht, und bewegt sich dennoch nahe an der Lüge. Den ganzen Film lang konnte man nämlich sehen, wie eng Werk und Autor verflochten sind. Aber Richter lässt das alles aus. Die westdeutsche Presse feiert ihn, sie erklärt ihn zum führenden Künstler der Gegenwart. Josef Bauer macht davon so ziemlich das Gegenteil. Er spielt nicht das Spiel, das Galerien, Mäzene und Medien vorgeben, nicht etwa deshalb, weil er sich weigert, sondern weil er arbeiten geht und Geld verdient. Von Kunst kann er erst leben, als er schon über 60 ist. “Wenn du damals mit Ei-Tempera gearbeitet hast und es hart auf hart kommt, dann hau ich das Ei in die Pfanne und lasse Kunst Kunst sein“, sagt Josef Bauer ohne Koketterie.

Josef Bauer im Belvedere (c) Belvedere Museum

Es mag mit seinem frühen Leben zu tun haben. Der Vater wird im Krieg gefangen genommen und kommt nach Russland, ein jüdischer Arzt rettet ihm das Leben. Als er wieder nach Oberösterreich kommt, sagt er, dass die Juden und die Russen anständige Leute sind. Er erkrankt an Krebs, Josef ist der älteste Sohn, da hilft er am Hof in Gunskirchen, bis er 19 Jahre ist. Die Nazis hatten zuvor alles zunichte gemacht. Auf dem Waldstück der Familie errichten sie ein Außenlager des KZ Mauthausen, das Vermögen ist damit weg. Der junge Josef Bauer ist seither ein politischer Mensch. Aus dieser Zeit kommt auch sein Misstrauen gegen das, was in Zeitungen steht. Als Student an der Kunstschule in Linz sieht er in drei Zeitungen dasselbe Bild mit drei unterschiedlichen Schlagzeilen. “Das war eine Situation, die unheimlich wichtig war. Das Bild lässt alles offen und die Sprache engt ein“, sagt er.

Er versucht die Sprache zu begreifen. Und er versöhnt sich mit ihr. Beim Steirischen Herbst, dem ältesten Festival für Neue Kunst, bindet er 1972 mit Buchstaben das Wort “Baum“ an eine steirische Eiche, bindet Zeichen und Bezeichnetes aneinander. Damals ist an den Universitäten die Zeichentheorie in Mode, Josef Bauer kauft sich früh zwei Bücher von Marshall McLuhan, aber erst Ludwig Wittgenstein fesselt ihn. “Ich habe das gelesen wie einen Krimi, weil ich drei Viertel nicht verstanden habe“, sagt er lachend. “Aber die Sätze zwischendurch waren so toll für mich.” Man spürt auch in diesem Moment wenig von dem heiligen Ernst, mit dem andere Künstler ihre Arbeit gern beschreiben.

Waldheim und Co

Einmal wird Josef Bauer im Gespräch ganz ernst. Es geht um die Waldheim-Affäre. Josef Bauer fertigt Mitte der Achtziger die Serie “Fehldrucke” an. Sie war keine Reaktion, sagt er, aber die übermalten Zitate aus der Nazizeit, die ihm der Literat Heimrad Bäcker gibt, erinnern zeitweise frappant an das Argument Waldheims, man habe damals in der Wehrmacht nur die soldatische Pflicht erfüllt. Im Prinzip sei das aber harmlos gewesen, meint Bauer, und plötzlich schwenkt er um: “Erst mit Kickl und Co habe ich wieder Angst bekommen.“ Man würde spüren, was diese Leute wirklich wollen und wenn die Bevölkerung da mitgeht.

Josef Bauer im Belvedere (c) Belvedere Museum

Sport verdankt Josef Bauer sehr viel. Mehrmals ist er Staatsmeister im Stabhochsprung. Er bekommt ein Buch über Zen-Buddhismus geschenkt, das ihm hilft, auf Zentimeter genau zu explodieren. Beim Training lernt er Peter Kubelka kennen, den österreichischen Juniorenmeister im Diskuswerfen, der später als Avantgarde-Filmemacher bekannt wird. Beide sind im selben Verein, Kubelka lädt ihn in seine Wohnung ein, wo quer über eine Wand ein Text von August Stramm mit Bleistift geschrieben steht. “So hat es ja angefangen“, meint Josef Bauer, “da habe ich doch die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt gekannt, nur dass es bei mir länger gedauert hat.” Sport führt ihn für einen Wettkampf nach Paris, wo er in einem baufälligen Haus amerikanische Pop Art sieht und sofort von ihr gefangen ist. Ihr Einfluss auf sein Werk ist allerdings subtil. Josef Bauer übermalt Reklamen, Zeitungen, Musterkataloge oder Fotos, die er am Flohmarkt findet. Seine Auseinandersetzung mit Massenmedien bleibt dabei indirekt, er bildet sie nie nur einfach ab, sondern er imitiert und verfremdet sie.

Wunderkind und Traun

In den Oberösterreichischen Nachrichten sagt ein Kurator der Landesgalerie Linz über Josef Bauers Arbeit “Farbraum“, dass man ihretwegen die ganze Kunstgeschichte umschreiben muss, sie könne nicht aus 1963 stammen, die Avantgarde begann doch erst 1965. “Ahja, stimmt”, meint Josef Bauer etwas verschmitzt. “Die Deutschen sind ein bisschen später mit den Beziehungssachen gekommen. Das ist unmöglich. Aber ich habe es tatsächlich gemacht.“ 1963 holt er außerdem einen Stein aus der Traun, er gießt ihn ab, fotografiert ihn, zeichnet seine Umrisse und beschreibt den Vorgang. Das Nachrichtenmagazin Profil schreibt, man könnte diese Arbeit für eine des Konzeptkünstlers Joseph Kosuth halten. Aber auch dieser ist erst zwei Jahre später damit dran. Josef Bauer geht es dabei um das Erlebnis, nicht um die Objekte. Was er nicht braucht, was ihm misslingt, schmeisst er deshalb wieder weg. Heute hat er vom Traunstein nur noch den Abguss.

Viel früher noch trifft ihn regelrecht einen Geistesblitz. Ein Jahr nach dem Krieg spannt er zwölfjährig ein Leintuch der Eltern in einen Keilrahmen, er hängt die Konstruktion vier Meter hoch in einen Baum und wartet. Aber nichts passiert. Äste bohren sich hinein, fünf Jahre hängt alles draußen an der Sonne, an Wind und Winter, dann schmeißt er es weg. 1946 kommt er auf diese Idee. Wunderkind könnte man rufen, Sammler könnten sich überbieten und Kunsthistoriker könnten sich einen Namen machen. Aber es gibt keine Dokumentation. Für Josef Bauer geht vorrangig um das Erlebnis, sich die Welt anzueignen. Kunst ist kein Karriereweg, Kunst ist ein Bildungsweg.

Josef Bauer hat nun nichts von einem Genie, nichts von einem Künstlermanager oder einem Enfant Terrible. Er ist auch kein Einzelgänger, kein früh Verstorbener und kein genialer Dilettant, den man als große Neuheit entdecken könnte. Josef Bauer wurde einfach sehr lange übersehen. Und angesichts seines visionären Schaffens ist das ein Marktversagen.

 

Josef Bauer ist am 2. März 2022 im Alter von 88 Jahren gestorben.

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Beyonce: Schwarzer Feminismus https://stfndw.com/2021/musik/beyonce-40-feminismus-surrogation-afrofuturismus-koerperpolitik-2/ Fri, 10 Dec 2021 15:04:28 +0000 https://stfndw.com/?p=16959 Mit 40 Jahren hat Beyonce mehrfach Popmusikgeschichte geschrieben. Schwarze Identität und Feminismus werden mit ihr zu Leitthemen. [Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, September 2021] Scharfe Soße, immer dabei. Beyonce...

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Mit 40 Jahren hat Beyonce mehrfach Popmusikgeschichte geschrieben. Schwarze Identität und Feminismus werden mit ihr zu Leitthemen.

[Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, September 2021]
Ö1 Radiokolleg - Beyonce Teil 1: Dirty South Ö1 Radiokolleg - Beyonce Teil 2: Hip Hop Feminismus Ö1 Radiokolleg - Beyonce Teil 3: Black Lives Matter Ö1 Radiokolleg - Beyonce Teil 4: Afrofuturismus

Scharfe Soße, immer dabei. Beyonce kommt schließlich aus dem tiefen Süden, aus Houston in Texas, der viertgrößten Stadt in Nordamerika. Im Süden gehört scharfe Soße in jedes Essen. Hier bewegen sich die Menschen angeblich langsamer, weil es draußen so drückend heiß wird. Die Familiengeschichte von Beyonce Giselle Knowles ist eng mit der Region verflochten. Ein Vorfahre ist ein reicher Händler, der sich in eine Sklavin verliebt und heiratet. Ihre Großmutter marschiert mit Martin Luther King. Ihr Vater muss in Alabama von der Polizei zur Schule eskortiert werden, als die Trennung nach Hautfarben durch das Höchstgericht aufgehoben wird. Später verdient er sehr gut bei der Druckerfirma Xerox als Vertriebsleiter. Ihre Mutter ist Kreolin mit Wurzeln in Louisiana, der ein sehr erfolgreicher Haarsalon gehört.

Beyonce taugt als Aushängeschild einer kleinen Revolution. Schwarze Frauen haben in der Popmusikgeschichtsschreibung lange eine untergeordnete Rolle gespielt. Für die bestimmenden Bewegungen der 2010er Jahre – Feminismus und Black Lives Matter – wird sie Sängerin zur Ikone. Auf mehreren Solo-Alben entwickelt sie ihre Version von Schwarzem Feminismus. Dieser behauptet ein starkes Selbst, fordert Respekt und finanzielle Unabhängigkeit. In dem Song “6 Inch“ werden sechs Zoll hohe Absätze zu einem Symbol von Stolz und Macht. Mitunter steht dieser Feminismus auch in der Kritik, manchen ist er ein schlechtes Vorbild, zu reich, zu schön, zu erfolgreich. Ihr Auftrit beim Superbowl (2016) das Album “Lemonade” (2016) und “Black Is King” sind komplexe Werke über die Geschichte der Sklaverei, über Trauma, Schönheitsnormen und Black Pride.

Die vier Teile des Radiokollegs behandeln nacheinander die Alben “Survivor” (Dirty South, Destinys Child, Surrogation), “Beyonce” (Hip Hop Feminism, Sexualität, Post-Genre-Pop), Lemonade (Black Lives Matter, Glanz) und “Black Is King” (Afrofuturismus, Black Pride).

[Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, September 2021]

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Clubkultur: Was ist Clubkultur? https://stfndw.com/2021/musik/was-ist-clubkultur-asthetik-soziale-utopie/ Sun, 21 Mar 2021 12:42:38 +0000 https://stfndw.com/?p=16945 Fast genau ein Jahr haben Clubs mittlerweile geschlossen. Wenn über sie berichtet wurde, dann fiel zuletzt immer häufiger das Wort “Clubkultur”. Aber was ist das? [Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1...

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Fast genau ein Jahr haben Clubs mittlerweile geschlossen. Wenn über sie berichtet wurde, dann fiel zuletzt immer häufiger das Wort “Clubkultur”. Aber was ist das?

[Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, März 2021]
Radiokolleg - Was ist Clubkultur - Teil 1 - Techno, Utopia, Subkultur Radiokolleg - Was ist Clubkultur - Teil 2 - Migrantische Clubkultur, Türpolitik, Leere Flaschen Radiokolleg - Was ist Clubkultur - Teil 3 - Disco, Yaass Queen, Social Design Radiokolleg - Was ist Clubkultur - Teil 4 - Hip Hop, Sexismus, Woke Rap

Geistlos. Gehorsam. Banal. Diskotheken wären Massenkultur in ihrer schlimmsten Form. Sarah Thorntons bahnbrechende Untersuchung von Clubkultur beginnt mit einem Kontrapunkt. Die kanadische Soziologin zitiert dabei einige ältere Kollegen, die noch einer anderen Zeit entsprungen waren. Für sie ist die kreative Kraft von Clubkultur dagegen unbestritten. Ihr Buch “Club Cultures” erscheint vor 25 Jahren. Dort untersucht Sarah Thornton die Haltungen und Ideale von jungen Menschen, deren Leben um die Nacht kreist. Diese heben sich von anderen etwa dadurch ab, was sie als authentisch erleben, was hip ist und was Underground. Seither hat sich die Welt ein klein wenig verändert. Und damit auch, was sich Menschen von diesen Orten erhoffen.

Immer wieder fällt das Wort “Utopie“. Diese Idee ist mindestens 500 Jahre alt. Der englische Lordkanzler Sir Thomas Morus erzählte 1516 in einem Roman vom besten Zustand des Staates auf einer neuen Insel namens Utopia. Er versah seine Geschichte mit einigen ironischen Wortspielen. Utopia konnte mit Nicht-Ort genauso wie “guter Ort” übersetzt werden. Dort herrschte ein geschlossenes Gesellschaftssystem. Clubs sind das nicht. Der Hauch von Utopie, den manche dort verspüren, mischt sich mit Windmaschinen und dem Pulsieren großer Bassmembranen. In der Arbeitswelt richtet sich die Aufmerksamkeit von Menschen auf das Außen, auf Dinge, Personen oder Inhalte. Im Club gerät der Körper in den Fokus. Von anderen und von einem selbst. Die Menschheit kennt dafür aktuell wohl keinen Ort, an dem beides so gut möglich ist.

In Clubs und um sie haben sich zahlreiche Musikstile und Genres entwickelt. Zudem waren sie Keimzellen sozialen Wandels. Denn in ihnen waren Klasse und Hautfarbe für einige Stunden ausgehebelt. Doch das ist lediglich ein hübscher Nebeneffekt. Mindestens genauso zählen die Musik, die Art wie sichergestellt wird, dass sich alle wohlfühlen, oder das Spiel mit der eigenen Identität. Clubs bieten dafür einen kontrollierten Rahmen. Das soziale und ästhetische Design dieses Ortes ist Clubkultur.

[Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, März 2021]

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Kraftwerk sind 50: Gesamt-Kunst-Kraft-Werk https://stfndw.com/2020/musik/kraftwerk-sind-50-jahre-gesamt-kunst-kraft-werk/ Wed, 23 Dec 2020 16:23:28 +0000 https://stfndw.com/?p=16932 Die Geschichte von Kraftwerk begann vor fast genau 50 Jahren in Düsseldorf. Es ist eine Geschichte populärer Avantgarde. [Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, November 2020]   Kraftwerk war populäre...

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Die Geschichte von Kraftwerk begann vor fast genau 50 Jahren in Düsseldorf. Es ist eine Geschichte populärer Avantgarde.

[Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, November 2020]

 

Ö1 Radiokolleg Kraftwerk Teil 1: Düsseldorf, Krautrock, Musique Concrete Ö1 Radiokolleg Kraftwerk Teil 2: Mensch-Maschine, Roboter, Bauhaus Ö1 Radiokolleg Kraftwerk Teil 3: Autobahn, Deutsche Identität, Radio-Aktivität Ö1 Radiokolleg Kraftwerk Teil 4: Trans-Europa-Express, Techno, Hip Hop, Computerwelt

Kraftwerk war populäre Avantgarde. Die Band aus Düsseldorf hat vor allen Dingen konzeptuell gearbeitet und so einer visionäre Zukunft entworfen, die gleichzeitig zurückblickt auf jene Moderne, die durch die Gräuel des Nationalsozialismus ein jähes Ende fand. Diese Konzepte haben Kraftwerk seit Anfang der 1970er Jahre in Töne gesetzt. Gemeinsam mit Fotografie, Typografie, Bühne, Bildern und Texten formten sie ein Ganzes, vielleicht sogar ein Gesamtkunstwerk. Der Einfluss von Kraftwerk kann dabei kaum überschätzt werden. “Was man sicher behaupten kann, Kraftwerk gelang die größte Revolution in der Pop-Musik seit den Beatles“, schreibt etwa Uwe Schütte in seiner kürzlich erschienenen Monographie über die Band.

Das erste Album von Kraftwerk wurde 1970, vor mittlerweile 50 Jahren, veröffentlicht. Ralf Hütter und Florian Schneider-Esleben hatten die Band an einer Kunstakademie gegründet. Sie waren geprägt von Krautrock ihres Umfelds, aber auch von Musique Concrete, Fluxus und Rumorismo. Auf “Autobahn“ erreichten sie gemeinsam mit Emil Schult dann vier Jahre später erstmals einen Meilenstein. 22 Minuten lang wird das Thema variiert, wird die Idee von Mobilität und endloser Bewegung zu Klang. Dabei sind Text und Plattencover so reduziert, dass sich Assoziationen zu motorisierter Freizeitkultur, über ein deutsches Nationalsymbol, zur Nazi-Zeit der industriellem Fortschritt spinnen lassen.

“Radio-Aktivität“ bildet ein Jahr später den Volksempfänger auf dem Cover ab und thematisiert eines der bestimmenden Themen der 1970er in Deutschland – die Anti-Atomkraft-Bewegung – auf eine Weise, die auch zu Missverständnissen führt. “Trans-Europa Express“ treibt die Band mit Geschwindigkeit und Rhythmus in eine Phase, die von vereinten Ländern träumt. Mit “Mensch-Maschine“ ist 1978 schließlich der konzeptuelle Höhepunkt erreicht, ein komplexes Verwirrspiel von politischen, ästhetischen und philosophischen Zeichen. Zudem wird mit “Das Model“ ein für die Band relativ untypischer Song zu ihrem größten Hit. “Computerwelt” von 1981 sagt schließlich auf gespenstische Weise digitale Entfremdung, Überwachung und Big Data voraus.

Kraftwerk verwenden früheste Klangmaschinen, sie verfremden die menschliche Stimme und sie bringen elektronischer Musik beispiellosen Rhythmus bei. Im Nachhinein lässt sich nicht mehr beantworten, ob Techno, Electro oder House einen derartigen Boom erlebt hätten, wenn es Kraftwerk nicht gäbe. Unbestritten ist ihre Strahlkraft. Auch für Hip Hop. Auch auf Kunst. Und für populäre Ausdrucksformen allgemein.

 

Kraftwerks erstes Album “Kraftwerk” ist 1970 via Philips erschienen.

[Beiträge erstmals ausgestrahlt im Ö1 Radiokolleg, November 2020]

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