Mavi Phoenix: Ungekürzte Wahrheit

Mavi Phoenix: Ungekürzte Wahrheit

Wer Mavi Phoenix ungekürztes Interview zum Album “Boys Toys” lesen möchte und ungefilterte Aussagen über die Komplexitäten eines Coming-Out als Trans-Mann, ist hier richtig.

 

Es gibt viele Gründe, ein Interview zu straffen, es zu striegeln und schleifen. Der oberste Grund ist Faulheit. Ein Gespräch Wort für Wort zu transkribieren ist wahnsinning anstrengend und dauert sehr lange. Ein Gespräch andererseits Wort für Wort zu lesen, ist weit mehr als nötig, um mitzureden. Der zweite Grund ist Geld. Denn Medien bezahlen meistens für eine Höchstzahl an Zeichen, sie wollen überlange Interviews weder bezahlen, noch haben sie den Platz dafür. Der dritte Grund sind die Interviewten selbst. Manche wissen einen Moment nicht, was sie sagen wollen. Deshalb hätten sie gerne Freigaben, sie wollen sich besser darstellen, oder schlimmer, sie waren einen Moment nicht bei Sinnen und Aufregung ist vorprogrammiert. Es gibt gute Gründe, ein Interview zu kürzen. Im Fall von Mavi Phoenix ist das mehrfach passiert. Im Ö1 Lexikon der Popmusik beispielsweise, im Profil, oder bei mica.

Weil es allerdings bislang selten Coming-Outs als Trans-Mann gab, soll dieses Interview auch ungekürzt nachzulesen sein. Weil Feinheiten der Sprache nicht egal sind, weil mit einem ungekürzten Interview auch ein Stück weit transparent wird wie Medien arbeiten, und weil sich Mavi Phoenix diesen Platz verdient hat.

 

Du hast mit LLT Records deine eigenen Firma gegründet. Wann und warum?

Vor zwei Jahren, 2017, haben wir es gegründet, eigentlich mein Manager, ich habe eigentlich zwei, der eine eher für PR und international, der andere näher an mir dran, versteh mich mit beiden gut. Mit den beiden habe ich das gegründet, weil wir independent bleiben wollen, das macht eh fast schon jeder, das geht schon viel übers internet, und Major Labels haben nicht so den guten Ruf. 

Was kann ein Major, was ihr nicht könnt?

Sie haben Geld. Ein Major Label ist eine Bank. Ich hätte schon unterschrieben, hatte auch Gespräche gehabt, aber die Deals waren nicht gut genug, dass man sich denkt, das geht sich aus, das macht Sinn. Und so Not haben wir es auch nicht. Wenn ich einen Deal unterschreib, dann weiß der Fan, dass ich wahrscheinlich keine Kohle mehr hab, und wahrscheinlich irgendwo unterschreiben muss. 

Das ist aufwendig, man muss so unabhängig sein wollen. Warum ist das so?

Ich war schon so bald unter die Fittiche vom Christoph, von meinem Manager, und ich mich so wohl gefühlt in unserem Konstrukt, in unserem kleinen Apparat, den wir haben, dass ich irgendwie voll Vertrauen hab in alle, mit denen ich zusammenarbeite. Es war überhaupt kein Wunsch von mir, kein Ziel, man möchte irgendwann bei Sony oder Universal unterschrieben. Es war mehr so, wow, ich habe die Leute, es passt voll gut, die kennen sich aus, ich mach einfach meine Musik.

Es gibt in deinem Song eine Textzeile, die Szene will dich babysitten, was meinst du damit?

Dass ich die Szene babysitte. The whole scene now wants me to babysit. Das ist voll Rapper-mäßig gemeint, die sind alle meine Kinder, die alle von mir lernen können, die wollen sich was abschauen, dass ich ihnen sag was sie tun müssen. Ein bisschen überspitzt natürlich, ich bin einfach so cool und so gut und ihr seids alle scheisse. Was überhaupt nicht stimmt, aber …

Sechs Jahre später nach dieser ersten EP und drei Jahre später nach .. Gibt es da einen Unterschied?

Ja schon. Du bist einer der wenigen, der die allererste kennt. Die meisten sagen, dass die erste Mavi EP die mit “Aventura” drauf ist, es war halt die erste offizielle EP. Die allererste hab ich ja wirklich alles selber gemacht, vom produzieren, aufnehmen, schreiben natürlich und mischen und bis zur Veröffentlichung, die eigentlich nur ein Free Download Link war. Ich habe lange überlegt, ob ich die runternehme von Spotify, aber habe mir gedacht, es ist auch schön für die Leute, dass sie die Entwicklung sehen.

Das ging jetzt schnell, du musstest dich irgendwann entscheiden, Musik ist für dich das Richtige, um dich auszudrücken. Du warst ja noch voll jung?

Mmh. Ich weiss nicht, ich habe gar nicht so viel nachgedacht, ich glaub, das ist eine Stärke von mir im Leben, dass ich in den richtigen Zeitpunkten nicht viel nachdenke, normalerweise bin ich immer sehr in meinem Kopf, wie es um das gegangen ist, war ich so, das ist jetzt einfach das, ich habe gespürt, dass ich da ein Talent habe, ich habe es noch nicht so richtig fassen können, ich habe noch gar nicht gewusst wer ich bin, was mir gefällt, aber gewusst, dass da etwas versteckt liegt, dass das mein Ding ist, auf das habe ich halt vertraut, weil ich das vorher nie so gespürt habe, ich wusste, das ist meins, das lebe ich.

Das war alles selbst produziert, nur du? Wann hast du angefangen, ein Jahr davor mindestens, was ist in der Zeit davor passiert?

Ja, länger. Ich habe experimentiert auf Garage Band. Und da gibt es immer Loops, die völlig vorgefertigt, so habe ich angefangen, dass ich dort einen Loop genommen habe, dann nochmal einen dran gesetzt, dann habe ich darüber gesungen. Das war der Start. Ich habe Radioshows gemacht, fiktionale, für mich halt, weil es mir Spass gemacht hat, dann habe ich Songs reingezogen, die ich feiere, so habe ich angefangen und habe jedes Jahr einen Song gemacht und bin auf immer mehr draufgekommen, ok, es gibt nicht nur vorgefertigte Loops, es gibt auch Drums, dann gibt es Instruments, Pianos, Gitarren, die kann ich alle druntersetzen und so zusammenbauen. So hat sich das entwickelt, dass ich immer besser geworden bin, weil ich es gern gemacht hab, ich habe überhaupt keinen Stress gehabt, weil ich mir nicht gedacht habe, ich muss erfolgreich werden. Ich war dann an einem Punkt, dass ich vor der “My Fault EP” angestanden bin, ich habe immer noch mit Garage Band produziert, sicher schon fünf Jahre, und dann habe ich jemanden gefragt, Simon Herzog, einen Produzenten, den habe ich über das Internet aufgesucht, weil er für Left Boy produziert hat und ich ein großer Left Boy war, ich habe unter einem Video gesehen produced by Simon Herzog, dann habe ich ihn auf Facebook gesucht, hab ihm ein Lied von mir geschickt, wie alt war ich da, 16, und hab ihm gesagt, ich hab das mit Garage Band gemacht und ich komm nicht mehr weiter, es klingt einfach nicht so wie die ganzen Stars, warum, kannst du mir helfen. Und er hat zurück geschrieben, hey, das ist voll gut für dein Alter und deine Möglichkeiten, machen wir einen Skype Call, dann habe ich eigentlich Unterrichtsstunden genommen für Ableton, für das Programm, dann haben wir jede Woche eine Stunde gehabt, wo er mir erklärt hat, was für was ist, ich habe an Songs gearbeitet und über Skype vorgespielt, das ist die Langfassung, er hat gesagt, probier mal das, ich habe alles selbst gemacht, aber er hat halt Inputs gegeben, wie das besser klingt, was ich machen kann, wenn ich den Effekt erzielen will … 

Wie war dein Umfeld? Hast du das Gefühl gehabt, du kannst dir das alles zusammen bauen, oder hast du das Gefühl gehabt, du musst nach Berlin, nach London?

Na, das Gefühl habe ich nie gehabt, am Anfang vielleicht, aber dann wie ich relativ bald gemerkt hab, wie viel man eigentlich selbst machen kann, ich war ja völlig perplex, wie ich gecheckt hab … weil normalerweise als Kind, denkst du, wenn du im Radio einen Song hörst, denkst du, dass voll die Magie dahinter ist, dass jemand ins Studio geht und das einspielt, aber es ist nicht so schwierig, [lacht] und wenn man mal auf das draufkommt, ist halt eine riesen Chance dahinter, dass man viel machen kann, und dann trennt sich halt die Spreu vom Weizen, wer es dann wirklich gut macht, weil dann ist es wieder schwierig.

Du hast deinen Künstlernamen kürzlich in einem Instagram Post erwähnt. War dein Name plötzlich da, was wolltest du damit rüberbringen?

Mavi Phoenix war eigentlich … ich weiß nicht, ich wollte einen Namen, der sich trotzdem an meinem Geburtsnamen orientiert, Marlene, und deswegen Ma…, und Phoenix, ich weiß nicht, ob ich das gesehen oder gelesen habe, ich habe in unterschiedlichen Interviews anderes gesagt, ich bin irgendwie auf die Phoenix Familie gekommen mit dem Joaquin und River Phoenix, ich glaube es war eine Doku, es war eine arge Familie, so Hippies, und irgendwie war da so, Phoenix steht für Neuanfang, ich war halt 16 und hab das cool gefunden, Neuanfang, wow, Phoenix aus der Asche [lacht]

Du hast Frisur von River Phoenix.

Ja, stimmt, Style Inspo, der war schon richtig cool, einfach, Aussehen und so.

Gibt es für dich eine Szene zum Andocken musikalisch? Es wird ja eher solitär.

Ja, absolut, überhaupt nicht, das ist noch immer mein Problem, oder vielleicht war es auch gut, ich habe mein eigenes Ding gemacht gezwungenermassen, ich habe keine Clique gehabt, die alle produziert hätten, überhaupt nicht, keiner hat das gemacht, es war irgendwie ok für mich, weil ich sowieso gewusst hab, dass ich anders bin [lacht], dass irgendetwas nicht stimmt in meinem Leben, deswegen hat es sich voll natürlich angefühlt, dass ich etwas mache, das sonst keiner macht, und erst wie ich nach Wien gezogen bin, da hab ich den Chrisl [Christoph Kregl] schon gekannt, erst da bin ich draufgekommen, dass es eine Musikszene gibt in Österreich, in Linz habe ich das nicht mitbekommen, ich bin halt einfach auf ein Gym gegangen, liabe Leut, coole Leut, aber es war keiner künstlerisch unterwegs. Und in Wien hat es mich voll geschreckt, weil ich gemerkt hab, es gibt voll die Szene.

Mit Alex The Flipper gab es vereinzelt Leute, die Musik gemacht haben?

Der Alex ist auch aus Linz, den hat mein Manager mir auch gezeigt, er hat uns verlinkt, den habe ich in Linz getroffen, der war auch alleine, der hat schon Hip Hopper in Linz gekannt, kennt er immer noch, aber das ist eine ganz andere Generation trotzdem und eine andere Musik, er war am selben Punkt, er wollte ein bisschen vom Hip Hop Ding weg, poppiger oder elektronischer. Wir haben uns zu einem richtig guten Zeitpunkt getroffen für uns beide.

Kam deine Inspiration dann aus dem Internet?

Ja, jedenfalls Internet, ich war immer im Internet, ich bin immer im Internet. Wie gesagt, was ich vorher gesagt hab, Left Boy hat mich damals schon sehr inspiriert, ich war in der Pubertät, das soll es nicht klein machen, ich habe mir gedacht, boah, da ist der Typ, der macht genau, was ich machen will, der macht auf Englisch, cool, do it yourself, der macht das einfach und zieht es durch. Das war schon cool. 

Mit wie vielen Leuten hast du schon zusammengearbeitet?

Alex The Flipper ist sowieso der, mit dem ich alles mache, mehr oder weniger, der überall dabei ist, weil ich ihm einfach vertrau und ihn saucool finde. Jetzt für das Album habe ich mit einem, der heisst Nvdes aus L.A. zusammengearbeitet. Und dann habe ich auch schon öfters mit RIP Swirl aka Luka, aus Berlin, mit dem habe ich “Yellow” gemacht vor zwei Jahren und jetzt fürs Album auch eine Nummer. Und der Jakob Rabitsch ist auch am Album dabei, der ist der Sohn von Thomas Rabitsch.

Gibt es Songs, die inspiriert sind von der Welt? Es gibt viele Songs, in denen es um dich geht, deine Träume, deine Identität, deine Wünsche, deinen Swag.

Eher weniger, ich bin schon eher immer sehr mit mir selber beschäftigt, auch auf diesem Album, es ist voll der egoistische, also nicht egoistisch, die Leute können sich auch wieder drin finden, und jeder ist in erster Linie mit sich selbst beschäftigt, es hat schon Ereignisse gegeben, man merkt schon, dass ich ein Kind dieser Generation bin, dass ich in meinen Zwanzigern bin, das merkt man schon, den Vibe von der Welt habe ich schon auch aufgeschnappt, ich rede jetzt von den neuen Sagen, so ein bisschen eine Trostlosigkeit (lacht), es war jetzt immer so ein Cloud Rap Ding, was sehr nihilistisch ist und sehr dadaistisch und man weiss nicht, was man tun soll, ich habe mich voll in dem wiedergefunden, aber nie so richtig, mich zahts nicht, aber ich habe das Gefühl, dass es jetzt mehr wieder so ist, dass man jetzt doch wieder so, mit Fridays For Future, dass die Jugend jetzt doch nicht mehr so ist, ich nehm einfach meine Drogen und scheiss drauf, ich weiss überhaupt nicht, was ich tun soll, mir gehts so gut, ich hab alles, sondern jetzt ist es wieder mehr so, auch mit Klimawandel, oida, wir müssen was tun und irgendwie ist das scheisse so, und das ist voll cool. Und das habe ich auch voll gemerkt in meiner Musik, dass es viel mehr nach vorn geht und aggressiver ist und etwas will, es will wieder was. Es ist nicht so, ah ich bin so cool, ich will eigentlich eh nichts von euch und insgeheim will ich doch etwas, sondern man steht dazu, dass man eine bessere Welt will. Das ist halt eher der Spirit, von den Lyrics ist es nicht wirklich so.

Es gab letztes Jahr einige Songs darüber Facebook zu löschen, feiert nur mit seinen Leuten, was vielleicht durch den Cambridge Analytica ausgelöst wurde, aber so etwas gibt es bei dir weniger, du sprichst Extinction Rebellion an, gibt es da Zeilen?.

Ja, es gibt schon Zeilen, zum Klimawandel gibt es schon ein paar Zeilen, wo man den Spirit spürt, dass es gerade etwas off ist oder arg ist in der Welt, in der wir sind. Dass man sich nicht sicher ist. Wenn man mit Leuten redet, die sind sich nicht mehr sicher, ob sie ein Kind wollen. Wenn du sie vor ein paar Jahren gefragt hast, haben die gesagt, ja sicher wollen sie ein Kind, da kann man sagen, vielleicht weil sie älter sind, aber es ist schon auch der Vibe, man weiss nicht wo es hingeht mit der Welt.

Wie hat sich dein Sound über die Jahre entwickelt?

Ich glaube, dass er jetzt organischer wieder geworden ist. Wenn ich ganz ehrlich bin, wenn mich jemand fragen würde, hast du deinen Sound gefunden, würde ich wahrscheinlich sagen, nein, weil ich das Gefühl habe, dass mir alles steht, was wahrscheinlich gar nicht stimmt, es gibt bestimmt etwas, was die Leute lieber hören würden von mir, aber ich fühle mich in sehr vielen Bereichen wohl, was nicht immer gut ist. Und jetzt bei dem Album habe ich das Gefühl, dass es sehr in eine Richtung geht, dass es homogen ist, es ist unterschiedlich, aber der Vibe ist derselbe und man checkt es dass es zusammengehört.

Das Gefühl habe ich auch. Es gibt einen Song wie “Ibiza“ mit einem langsamen Dancebeat oder eine punkige Nummer wie “Choose Your Fighter“. Und irgendwie geht sich das aus. Hast du eine Ahnung warum?

Es geht ja nie so ganz komplett auseinander, wir haben immer elektronische Drums, einen Loop, es hat nie jemand Drums eingespielt, es gibt immer Elemente, wo man merkt, dass es Mavi Phoenix ist, dass es zusammenpasst, es gibt Sachen, die mir gefallen und dann mache ich das öfter auch vom Arrangement. Aber ja, es ist organischer geworden, ich traue mich auch mehr, Gitarren finde ich zum Beispiel immer schon geil, hab Gitarre gelernt, es muss sich einfach gut anfühlen, es ist so scheissegal, es gibt so geile Nummern, die irgendwer alleine gemacht hat und wo keine Band dahinter ist, es gibt auch saugeile Nummern mit Band. Es muss sich gut anfühlen.

Aber gibt es Nummern, wo du sagst, klingt urgut, aber nicht für dich, die auch der Alex produziert?

Ja bestimmt, es gibt immer wieder Beats, die einfach nicht passen, ich sag eigentlich bei wenigen Beats, dass sie passen, ich bin oft so, das ist auch gut, das ist auch mehr geworden, dass ich gewusst habe, das passt nicht, dann wird es auch genauer, was dann am Album ist, das passt dann auch wirklich. Aber zum Beispiel bei “Ibiza“, weil du das angesprochen hast, das weiss ich noch ganz genau, da habe ich auch zum ersten Mal den Beat gehört und genau gewusst, das ist cool, das passt gerade zu mir.


Wie ist es, für dieses Video so einen Kuss zu spielen? Das ist ein sehr intimer Moment und gleichzeitig ein Statement. Wie ist das, wenn man das für eine Kamera macht?

Komisch. Wir haben ein bisschen was getrunken vorher, das war schon notwendig, glaube ich. Ich kann mich erinnern, ich habe die ganze Zeit gelacht, habe nur gelacht, weil ich so peinlich berührt war wahrscheinlich, ich bin da nicht so professionell gewesen, normalerweise schon bei Musikvideos, aber das weiss ich noch, bei dem Kuss, da habe ich voll viel lachen müssen, aber dann, wenn man es einmal gemacht hat, dann muss man es ein paar Mal machen, damit es gut ausschaut. Und dann war es normal.

War es ein längerer Entscheidungsprozess zu sagen, das gehört rein, oder wusstest du das?

Das habe ich sofort gesagt. Für mich war das so komisch, für mich war das sooo komisch, dass keiner gewusst hat, dass ich auf Frauen steh, das war für mich so schlimm, weil das ein Teil von mir ist, den es schon gibt, seit ich im Kindergarten bin, habe ich schon gesagt, ich steh auf Frauen. Und irgendwie ist es mir dann bewusst geworden, dass es voll viele Leute nicht wissen. Ich wollte auch nie so ein großes Ding draus machen, weil für mich ist es das Normalste der Welt natürlich, gleichgeschlechtlich oder nicht, scheissegal, aber ich habe gespürt, wir müssen das machen, weil mich das nervt, dass es keiner weiss, mich nervt das, das nervt mich, das will ich einfach nicht. Und dann habe ich gleich gesagt, zu “Ibiza” ein Video und dann machen wir einen Kuss mit einer Frau, dass der love interest eine Frau ist. Das mit dem Kuss hat sich dann ergeben.

Musstet ihr euch kennenlernen? Oder hast du dir gedacht, das geht schon, das wird schon hinhauen?

Ja, habe ich mir schon gedacht. Wir haben uns auch dort zum ersten Mal getroffen an dem Tag. Wir haben uns vorher gar nicht gekannt. Und sie hat bis zu dem Moment auch gar nicht gewusst, dass es geplant war, weil es irgendwer vershizzelt hat, dass er ihr das sagt. Aber sie war voll cool und hat gesagt, na, ist eh überhaupt kein Problem, und ich so, na, du kannst voll sagen, dass du das nicht machen willst, wo sind wir denn, aber sie hat gesagt, voll cool, und dann haben wir es halt gemacht (lacht).

Du hast bei unserem letzten Gespräch relativ lange gezögert, als ich dich auf Feminismus angesprochen habe. Hat das damit zufällig zu tun gehabt?

Ich habe mir das so oft gedacht in den letzten Jahren, wie ist es als Frau im Rap, wie ist es als Frau generell im Musikbusiness, wie ist es als Frau auf einem Festival wo fast nur Männer spielen. Das war immer dabei so. Und ich glaube, dass ich dadurch, dass ich Mavi Phoenix gestartet habe, dann schneller draufgekommen bin, dass ich das nicht fühle. Ich war nie so. Ich habe nie gesagt, dass ich lesbisch bin, so richtig, ich habe nie geschrieben, yes, I’m gay, I’m lesbian, weil ich das nie gefühlt habe, weil ich mir immer gedacht habe, das stimmt so nicht, da ist noch was, ich weiss, dass ich bei vielen Interviews, in denen es um Feminismus – und es ist in jedem Interview um Feminismus gegangen -, dass ich da immer eher verhalten war, weil ich mich nicht als Frau fühle. Und dann war das schwierig für mich, und ich glaube dass ich jetzt viel besser drüber reden kann, weil ich das nie so umschiffen will, dass ich eine Frau bin, das ist ja völlig arg so.

Ich habe mich auf dieses alte Interview hinauf gefragt, gibt es denn Songs, die man im Nachhinein besser mit diesem Wissen versteht?

Ich finde, man versteht in “Aventura” den Satz, I only make music with my guys, den versteht man jetzt besser, weil ich Burschen als Freunde gehabt hab, es war nur so gemeint, einfach mit meine Haberer, das hat man bis dahin vielleicht nicht so gecheckt. Und ich habe nie in einem Song darüber … außer ein Mal, ok, das ist nämlich eigentlich ganz interessant, ich habe nie in einem Song richtig darüber geredet, wie es für mich ist als Frau, und einmal habe ich es gemacht, bei “Janet Jackson”, da habe ich gesagt, I’m the woman of the year, da habe ich am Tag davor noch den Alex angerufen und wir haben nämlich schon darüber gesprochen gehabt, ich habe ihm schon gesagt, he, irgendwie habe ich manchmal das Gefühl, dass ich ein Bursch bin, dann war das noch so, hä ok, und dann habe ich ihn angerufen und gesagt, fuck, jetzt kommt das morgen raus und da ist I’m the woman of the year, und irgendwie fuckt mich das an, weil das stimmt eigentlich nicht und dann war es schon zu spät.

Ich dachte dein Umfeld weiß das wohl schon längst, aber offensichtlich war das auch für dich ein Prozess, der gerade stattgefunden hat?

Ja, voll, das war erst nach der Tour 2018, der Wintertour, da habe ich Zeit gehabt zum runterkommen. 2018 war ziemlich arg für mich, auch viel unterwegs, dann habe ich mit meiner Freundin geredet, zu dem Zeitpunkt, dann habe ich zum ersten Mal darüber nachgedacht, habe auch schon mit Exfreundinnen darüber geredet, aber dann habe ich das wieder angesprochen und habe zum ersten Mal Research gemacht, weil ich habe das nie so, sicher, man kennt transgender, man kennt das, aber ich habe in meinem Kopf wahrscheinlich was überhaupt nicht Politisch Korrektes gehabt. Und man sieht dann so schräge Vögel, die sind dann eher Transvestiten vielleicht, naja, ich habe im Kopf gehabt, eigentlich ein bisschen transphobic, dass das vielleicht Leute sind, die einfach andere Probleme im Leben haben und jetzt glauben, dass sie ein anderes Geschlecht sind, obwohl etwas anderes dahinter steckt. Das ist ja oft so, wenn man eigentlich weiß, dass man etwas ist, aber man will das überhaupt nicht wahrhaben und sagt dann, so bin ich ja nicht, ich lebe ja eh normal und habe Freunde, man will das nicht sein. Und das ist traurig, dass ich das so ein Bild hatte, dabei sind solche Leute unter uns.

Du hattest ein Bild wie Trans-Menschen sind, wie Frauen sind, aber es war ein längerer Weg, dorthin zu kommen?

Ich bin auch noch immer nicht ganz dort. Das hat sich jetzt so ergeben. Eigentlich habe ich als Erstes dem Management Bescheid gegeben, weil ich gedacht habe, oida, es ändert sich trotzdem viel, wenn ich die Schritte gehe, und habe gesagt, ok, ich denke nochmal drüber nach, es fragt dann immer jeder, ja, willst du dir etwas operieren lassen, aber in erster Linie ist wichtig, ob man selbst sagt, ok, ich seh mich als Mann oder Frau, und ich habe mich immer schon als Mann gesehen, als Bursch, immer schon, ich habe immer, wenn ich betrunken war und auf einer Party allein, bin ich ins Badezimmer gegangen, habe in den Spiegel geschaut, gesagt du bist ein Bursch du bist ein Bursch, und bin wieder zurück gegangen, das habe ich gebraucht, das war immer mein Geheimnis. Und ich weiss nicht, ob man sich das vorstellen kann, dass man so ein Geheimnis hat, das einem selbst geheim ist, man weiss es eigentlich, aber man traut sich nicht dorthin gehen, das ist wie eine Kiste, die in der Ecke steht und da ist das drin, aber du kannst das nicht aufmachen, weil wenn du das aufmachst, musst du dann mit allem, was dann kommt, fertig werden musst, dann denkt man sich eher ok, eigentlich passt es eh so wie es ist und ich bin halt eine coole Frau, häh, passt schon, machen wir es so, und reden wir halt nicht so übers Frausein, und ich spreche das nie so an, aber das ist kein Leben so.

Das klingt nach einem Weg, es gab nicht einen Auslöser, wo es dir wie Schuppen von den Augen gefallen ist, sondern es passieren kleine Dinge wie das Gespräch mit Alex The Flipper. Verstehe ich das richtig?

Ja, voll, das war auf jeden Fall keine große Realization, man weiss es eh schon längst und man traut sich einfach darüber nachzudenken, es geht gar nicht so darum, dass ich das jemandem erzähle, sondern mehr für mich selbst, ok, wenn das so ist, lassen wir den Gedanken mal zu, dass es wirklich so ist, passt, und dann machen auf einmal voll viel Sachen Sinn in deinem Leben, dann ist das eigentlich ein gutes Gefühl, es nicht nur so, mah Tragödie, mah im falschen Körper, mah, muss voll viel Operationen, sondern es ist irgendwie, Alter, geil, ich sehe eine Zukunft, das macht alles Sinn, warum ich so bin wie ich bin, das ist voll schön auch.

Findest du, es gibt heute heutzutage … für Leute, die das am Anfang gemacht haben, gab es gar keine Vorbilder, wo man etwas nachlesen hätte können, wie machen die das eigentlich, wie gehen die damit um, gibt es immer noch so wenige Role Models?

So in der Form habe ich nie jemanden gehabt zum aufschauen, generell habe ich mir voll schwer getan, einerseits habe ich mich nie an Frauen orientiert, das ergibt vielleicht auch mehr Sinn, jedes Mal wenn man mich nach meinen Inspirationen fragt, ist das eher bei Männern, das ist nicht weil ich sexistisch bin, sondern weil ich mich einfach als Mann mehr mit Männern vergleiche, und ich kann mich halt mehr wiedersehen in einem männlichen Künstler als in einem weiblichen, das war immer schon so.

Hat es geholfen, dich online einzulesen?

Auf jeden Fall, ich bin auf Youtube gegangen, ich habe da eben Leute gesehen, war dann boah he, schaut ja richtig normal aus wie ein normaler Mann, obwohl das vielleicht vorher eine Frau war, oder andersherum, wobei ich mir nur female to male angeschaut habe, und habe genau geschaut, was sie gemacht haben, die haben ihre Geschichte erzählt, und ich habe mir gedacht, fuck, ja genau, das ist genau mein Gefühl gewesen, das war schon wichtig, weil ich kenne voll wenig, ich kenne eigentlich niemanden, der trans ist persönlich, auch in der Musikwelt, dass jemand wirklich transgender ist, da fällt mir nur Kim Peters ein, die ist aus Deutschland, ich weiß nicht genau, was für eine Musik die macht, aber die war vorher ein Mann, oder war immer schon eine Frau, aber in einem männlichen Körper. Aber so richtig gibt es da niemanden, deswegen ist es voll der arge Weg, es ist nicht einfach, es ist schon – auch wenn wir jetzt darüber reden, dass man jetzt darüber redet! Das ist einfach arg. (lacht)

Ist das Thema auf dem Album? Ist nur dabei, ist das gar keine große Sache? Oder soll man sich lieber darauf konzentrieren wie cool du bist und wie viel Swag du hast? Wie entwickelt sich das?

Am Album ist das ein sehr großes Thema, es ist das Thema. Es gibt keinen Song, der heißt “I’m transgender”, ich sage das auch nie so, aber mit der Geschichte im Hinterkopf macht das Album einfach einen Sinn. Es geht viel ums Ausbrechen und endlich so sein wie man ist und nicht immer im Kopf überlegen, ist das eh weiblich genug und werde ich eh nicht ertappt, dass ich eigentlich andere Wünsche habe. Das Album geht voll darum. Ich hab sogar einen Charakter erschaffen, den Boys Toys, der auf dem ersten Song drauf ist, der diese hohe Stimme ist, der den kleinen Jungen in mir porträtieren soll, der kommt immer wieder rein. Es geht auf jeden Fall um das Thema.

Wirst du heuer schon Amadeus Kategorie bester männlicher Künstler nominiert sein? Oder ist das ganz egal und du hast andere Sorgen?

Ich glaube ehrlich gesagt gar nicht, dass ich beim Amadeus nominiert bin, und es wäre mir so wurscht … 

Als Beispiel dafür, wie du kategorisiert wirst. Wenn in Zukunft Festival-Lineups gezählt werden …

… dann bin ich bei den Männern. Ja sicher! Das hat mich auch so genervt, das verstehen so viele Leute nicht, im Standard haben sie einen Artikel geschrieben, dass ich jetzt ein Mann bin, was ja für mich auch ein bisschen zu schnell gegangen ist, aber egal, da haben mich die Kommentare auch so genervt, weil jemand darunter geschrieben hat, äh, muss er jetzt auch zum Bundesheer und dies und das, und ich habe mir nur gedacht, Alter, ja sicher, würde ich sofort machen, also zum Bundesheer nicht unbedingt, aber alles, was irgendwie damit zu tun hat, und eher so herum, alles Weibliche, was mich wie eine Frau fühlen lässt, weg damit, und alles, was mich wie ein Mann fühlen lässt, her damit, und da gehört wahrscheinlich das Bundesheer auch dazu. Die Leute glauben immer, dass man es sich so einfach macht, welcher Mensch würde sagen, dass er ein anderes Geschlecht hat for the clout, wie man im Amerikanischen sagt, für die Bekanntheit. Das hat mich voll genervt. Das war gar nicht deine Frage, aber da merkt man, dass ich darüber reden will.

Wie viel Pseudonyme hast du mittlerweile? Ich kenne Mavizzle, Boys Toys und Marlon, wobei da nicht klar ist, ob Marlon für deine Freunde da ist oder eine Persona sein soll … 

Marlon ist nur statt Marlene. So nennen mich meine Freundinnen, Freunde und Familie. Boys Toys ist ein Alter Ego, Mavvizle ist eher so, keine Ahnung, crazy Mavi (lacht).

Wie viel Prolet steckt in dir?

Viel, ich glaub schon viel, aber, naja, wenn jemand hört wie ich spreche in meinem oberösterreichischen Slang, würde man sich denken, Bauernkind, vielleicht stimmt das auch, ich bin auf keinem Bauernhof aufgewachsen aber …, ich komme schon aus gutem Hause, aber irgendwie auch nicht. Meine Eltern haben beide keine Matura und auch etwas aus sich gemacht. Ich bin schon ein Prolet, ich glaube schon, die guten Seiten des Prolets, manchmal tue ich schon auf elegant.

Wie viel Hip Hop steckt in dir?

Mehr als mir bewusst war. Ich wollte ein wenig weg vom Hip Hip, mit “Ibiza”, die Releases waren eher poppiger, das Album ist wieder viel mehr Hip Hop und auch richtig Rap, nicht Trap Rap, Cloud Rap, sondern richtig, passt, Vers, zack.

Kannst du nochmal die Geschichte mit deinem Großvater zusammenfassen?

Kann ich, es ist auch schnell gesagt, ich kenne meinen Großvater nicht, meine Mama kennt ihn auch nicht. 

Es ist ok, wenn du nicht so darüber reden willst. Als wir beim Primavera geredet haben, hatte ich einen irren Sonnenbrand, dir war das völlig egal, dass wir mitten in der Sonne sitzen.

Ja, ich habe keinen dunkleren Teint, das würde ich nicht sagen, aber ich werde schnell braun, Sonne macht mir nicht so viel aus. Ich wollte mich auch nie so einschmieren, soll man aber trotzdem, und ja, es steht überall, dass er aus Syrien kommt, gö? Das arge ist, ich habe das auch geglaubt, aber mittlerweile sind wir uns da auch nicht mehr sicher, die Spuren sind verwischt, deswegen will ich da nicht mehr zu viel darüber reden, und habe das auch nie zum Thema gemacht, dass ich einen syrischen Background hätte. Ich weiss nur, dass ich aus dieser Wurzeln hab aus dieser Gegend, mehr oder weniger, aber woher genau, weiß keiner so richtig. 

Deine Stimme ist häufig verzerrt, warum?

Das ist nämlich auch interessant, ich glaube ich habe das noch nie gemocht, wenn ich voll weiblich auf Songs klinge, wie eine Frau, ich weiss eh, dass ich jetzt auch wie eine Frau klinge, aber ich wollte immer, dass es immer ein bisschen versteckt ist, wer ich eigentlich bin, weil ich mich eigentlich nicht mag, das ist voll therapeutisch und psychologisch, aber ich glaube, dass das die Gründe auch sind, dass ich nie mich mit der Gitarre hingestellt habe und meine Stimme, sondern immer um Ecken.

Es ist fast überall drauf. Du hast einen Go-To-Sound. Ändert sich das mit dem Album?

Auf dem Album sind ein paar Nummern ohne Autotune, die mit Rap sind ohne Autotune, aber auch etwas Gesungenes, er ist kein Muss, er war nie ein Muss, ich glaube das haben die Leute falsch interpretiert, meistens hat es sich gut angehört, dann haben wir es gelassen und gemacht, wir haben uns nicht gedacht, das darf man nicht, das soll man nicht, sondern wenn es gut klingt, dann machen wir es, wenn es nicht gut klingt, dann machen wir es nicht, meistens klingt es einfach besser, in meinem Fall, deswegen haben wir es gemacht.

Stimme gilt als starke Ausdruck deiner Identität, viel ist über Stimmen geschrieben worden, was Effekte machen, ob sie etwas verstärken, ob sie verfremden, es gibt nichts was so sehr mit einer Person zusammenhängt wie eine Stimme. Deshalb frage ich mich, was es für dich für dich bedeutet? Ob du das Gefühl gehabt hast, mir hat meine bloße Stimme nie gefallen.

Schon auch, was es verfremdet hat, war cool. Es auch noch immer ein bisschen so, aber es wird weniger. 

Es ist auch eine Chance. Im fourth wave feminism geht es um Cyborgs, wenn man Stimme verfremdet, ist das eine Chance, eine Identität zu kreieren.

Absolut.

Wir haben schon über Inspirationen geredet. Du hast damals über Madonna, David Bowie und Boy George geredet. Gilt das noch immer, waren das prägende Figuren?

Auf jeden Fall prägende Figuren, ich glaube es hat sich nicht viel geändert, wenn ich ehrlich bin, habe ich nie so eine Person gehabt, wo ich mir gedacht habe, boah, das ist jetzt voll mein .. erst Tyler The Creator war das dann mit 16, das war ein Künstler, der auf seinem ersten Album voll dark, voll arge Texte, das war für mich voll, oida, der sagt das einfach, der redet über Sachen, fuck, der sagt einfach voll brutale Sachen, dass er sich seinen Kopf aufschlitzen will, teilweise voll arg und grauslich, und voll düster. Und dann schaut man sich ein Interview mit ihm an, und er ist voll lustig, das war für mich der erste Mensch, ich habe mich das noch nicht getraut, dass ich so düster schreibe, weil ich mein Image im familiären Sinn vom happy girl bewahren wollte, aber ich habe schon auch an Sachen gedacht, die nicht so schön waren und habe mich nicht wohl gefühlt, Tyler The Creator war für mich der erste, auch weil er alles selbst gemacht hat, wo ich mir gedacht habe, Oida, der Typ ist einfach soo cool und so real und scheisst sich nichts.

Wie ist das mit Avril Lavigne?

Was lustig ist, dass ich einen Song am Album habe, wo jemand zu mir gesagt hat, das ist voll Avril Lavigne, und ich hab mir gedacht, hä? Ich habe natürlich “Sk8ter Boy” gekannt, habe ich natürlich gekannt, aber ich war nie Avril Lavigne Fan.

An welchem Punkt deiner Karriere stehst du heute?

Am Wendepunkt, ganz plakativ gesagt, es ist schon ein Wendepunkt in meiner Karriere, auf jeden Fall, man hat sich auf etwas anderes eingestellt, jetzt ist es anders, jetzt geht man einen anderen Weg, aber es ist so cool, weil ich so viel Spaß habe wie noch nie. Alleine ein Cover auswählen oder Video planen, einen Song schreiben, ich kann darüber reden, was wirklich ist, was mich wirklich beschäftigt, deswegen ist es voll der coole Moment gerade in meiner Karriere, aber er ist auch voll anstrengend, ich habe auch immer Gedanken, ob ich überhaupt aufhören soll, ob ich das alles falsch gemacht habe, ob ich viel früher draufkommen hätte sollen, aber ich glaube, es passt so jetzt wie es ist, es fügt sich alles gut zusammen.

Mich überrascht die Antwort ein bisschen. Es kommt mir gar nicht so wie ein Bruch vor.

Vielleicht eh nicht so arg, ein fließender Übergang.

Das Konzert war nicht so anders in der Arena, du spielst dieselben Songs.

Nein, es ist beides, für viele Fans passt das so, für die ist das keine große Umstellung, aber es gibt schon auch viele Leute, die sich denken, was heißt das jetzt, du bist ein Mann, du bist ja gar kein Mann, hä? Das gibt es schon auch, und vielleicht, das kann ich mir schon vorstellen, dass es bei vielen Leuten der Fall ist, dass viele Leute auch noch gar nicht checken, dass es ein Bruch sein wird, weil jetzt, ok, ich habe mir die Haar geschnitten, aber mit dem Album dann, irgendwie auch die Musik, über was ich rede, auch was die Singles sein werden, da habe ich schon Sachen ausgewählt, die ganz anders sind, weil ich einfach zeigen wollte, wer ich bin, weil das einfach anstrengend ist, wenn man das nicht tut.

Gibt es Songs von früher, die du nicht mehr spielen willst, die sich anders anfühlen?

Nicht wirklich, weil für mich immer Musik so etwas war, da habe ich nicht lügen können. Mir war das in Musik nicht möglich, dass ich etwas schreibe, was nicht gestimmt hat. Zum Beispiel auch das “woman of the year“ bei Janet Jackson, für manche Leute war ich ja “woman of the year“, aber ich habe nie etwas geschrieben oder gesagt in meiner Musik, das nicht so war. Wenn ich geschrieben hätte, I’m in love with this boy and I wanna wear a cute dress for him, aber das habe ich ja nie gemacht, weil es nie der Fall war.

Ich hatte das Gefühl, du machst teilweise langfristige Pläne darüber, wo du wann bist. Jetzt sagst du, es ist ein Wendepunkt und Bruch. Ist das jetzt hinfällig und neues, unbekanntes Land?

Nicht wirklich. Ich habe schon das Gefühl, und auch den Vorwurf gehört, dass es so kalkuliert wirkt mit meinem Outing als transgender, und das Lustige ist, es war überhaupt nicht kalkuliert. Mein Management war auch einmal geschockt, also geschockt, also es hat überhaupt nicht damit gerechnet, aber vielleicht irgendetwas in mir drin hat es vielleicht, ich habe einfach gewusst, dass es der richtige Zeitpunkt ist, ok, jetzt machen wir ein Album, alter fuck, ich muss das jetzt sagen, weil es sonst alles ein schas wird und ich kann das nicht aufrecht erhalten, dass ich die coole Frau bin, die da Vorreiter ist … bin ich nicht so. Vielleicht war das im Unterbewusstsein von mir kalkuliert, dass ich genau weiß, wann ich das sagen will, wann die Zeit reif ist und ich so gut im Leben stehe, dass ich das machen kann und mir Gedanken darüber machen kann.

Ist der Albumtitel bald für dich festgestanden oder war das ein längerer Weg?

War schon ein längerer Weg, ich hatte einen Song, der “Boys Toys” geheissen hat, und zwar nicht den, der jetzt rausgekommen ist, sondern voll der düstere, traurige Song, wo ich über das gesungen habe, I wanna play with boys toys and I’m 23, oder so. Da habe ich das für mich verarbeitet und der Titel ist mir geblieben, dann ist mir bei dem Song, der jetzt “Boys Toys” heißt, die Idee gekommen, he, ich kreiere eine Persona und die heißt Boys Toys, ok, dann heisst der Song “Boys Toys”, eigentlich zieht sich der über das ganze Album, dann heißt das Album “Boys Toys”, dann passt das eigentlich gut.

Welchen Track von Alex Then Flipper hast du selbst am häufigsten gehört?

“Sands“, das ist mein Lieblingssong von ihm. Das ist voll der energetische Track, der ist einfach cool, aber ich mag alle seine Songs, und auch das “Flipper is for Flipper”, das Mixtape, das er letztes Jahr rausgehaut hat, da gibt es auch viele Favorites, aber das sind eher Skizzen. Und “Sands“ ist ein richtiger Song-Song. Der hat auch über eine Million Streams auf Spotify.

Nachdem die Dekade vorbei ist, kannst du zufällig sagen, welchen Künstler du dir am meisten angehört hast?

Fuck, ich weiss gerade nicht mehr. Es war auf jeden Fall auch Drake dabei.

Wie gut bist du mit Bilderbuch?

Ja Alter, wie soll ich sagen, das sind wie entfernte Cousins, die zur Familie gehören und wenn man sie sieht, freut man sich und quatscht, aber wir hängen nicht jeden Tag ab.

Ihr wart gemeinsam auf Tour?

Ja, vor zwei Jahren, drei Jahren!

Gibt es gemeinsame Musik?

Nein, noch nicht. Aso doch, “Fly“, der Track auf meiner “Young Prophet” EP, da spielt einer von den Jungs Gitarre, die haben sie eigentlich für den Alex aufgenommen und der hat das bei einem Song von uns reingetan, das ist das einzige.

Ihr habt den selben Manager. Gab es Momente, wo sich das gebracht hat?

Ja, sicher, voll. Was mein Manager gelernt hat, während er sie managt, dass ich sofort auf Tour mitkönnen habe, obwohl ich noch nicht so viel Bühnenerfahrung gehabt habe, dieses Vertrauen, das war stark

Habt ihr euch ausgetauscht über Business?

Business nicht so viel, es ist auch, es ist nicht immer leicht, wenn man denselben Manager hat, es verbindet natürlich extrem, man redet auch nicht voll übers Business, nur weil man denselben Manager hat, ich will auch nicht mit irgendeinem anderen Künstler über Business reden, das ist immer arg professionell, ich weiß nicht, was Bilderbuch vorhaben, nichts, weil mit mir nicht darüber geredet wird, warum auch, andererseits erwarte ich mir das umgekehrt, es ist auch völlig wurscht, weil jeder seinen eigenen Schmarrn zu tun hat, eigentlich haben wir immer Playstation gespielt und Spaß gehabt, aber nie über Business geredet.

Was ist der Track, für den du sie am meisten respektierst?

Boa! (Pause) Das ist schwierig, es gibt extrem viele Track, die ich von ihnen feiere. Was mich wie viele andere gecatcht hat, war das “Schick Schock” Album, das war für mich, auch bevor ich in dem Dings drin war, habe ich das, ohne Spass, das war die erste deutschsprachige Band, die ich voll cool gefunden habe, zum Beispiel “Gibraltar”, der Song war für mich einer der Favorites.

Hast du dir da nicht vielleicht überlegt auch etwas auf Deutsch zu machen?

Ja, aber nein. Ich wollte nie auf Deutsch machen. Für mich passt das nicht, wenn ich in meinem oberösterreichischen Slang etwas daher rappe, nein, englisch war immer das, was ich machen wollte, weil ich immer nach Amerika wollte, ich will immer noch nach Amerika

Ist das ganz am Ende von “Boys Toys” ein Furz nach “one last thing to say to you”?

(lacht) Das ist so lustig, ich war gerade im Proberaum, der Jürgen, der Bass spielt, hat auch gemeint das ist ein Furz, nein, das ist kein Furz, das ist ein Vocal-Sample, das runter gepitcht ist, das bin vielleicht gar nicht ich.

Auf einem anderen Song gibt es die Zeile “one last thing to say – fuck you, fuck you, fuck you“. Ist das so ein Ding, ist das Absicht?

Hast du das gecheckt, dass das bei “Boys Toys” derselbe Satz ist? Ja, genau, das ist genau derselbe Take, von “Los Santos” rausgenommen und reingesetzt. Ich glaube am Anfang war nur dieser Furz da am Ende, dann habe ich gesagt, wir tun das da rein, das war einfach Spass.

Es gibt einige explizite Wörter … 

Wart einmal auf Album, hah! (lacht) Jetzt mit dem Outing als Transgender ist auch in mir voll viel passiert, ich scheisse einfach komplett drauf teilweise, also überhaupt nicht, mir ist meine Karriere voll wichtig, aber ich sehe Sachen viel lockerer im Verhältnis. Wie ich das angesprochen habe mit dem transgender Ding – es tut mir leid, dass ich immer wieder darauf zurückfalle – das ist voll arg, sobald man so etwas hat, auf einmal ist alles andere so klein und so egal und man denkt sich, das erste ist einmal, dass ich mich wohl fühle und mein Geschlecht herausfinde und alles andere kommt danach. Und jetzt bin ich auch mit den Wörtern lockerer und ich will niemand gefallen und ich will vielleicht sogar aktiv niemandem gefallen und das machen, was ich cool finde und ich habe immer geglaubt, dass ich das mache, aber ich habe es oft auch nicht gemacht, weil ich einfach selbst nicht gewusst habe, weil ich selbst eigentlich cool finde, auf das muss man mal kommen und bei diesem Album ist das das erste Mal so.

Du wirkst sonst nicht so als würdest du viel fluchen, ist das etwas, das du über die Musik rauslassen kannst?

Ja. Ich glaube Courtney Love hat mal gesagt, dass sie draufgekommen ist, dass Künstler in ihren Songs immer der oder die sind, die sie sein wollen, aber nicht die, die sie sind, und das macht voll Sinn, wenn man sich die Leute ansieht, wenn du wirklich über jemanden nachdenkst, was der für eine Musik macht, vielleicht voll intellektuell oder voll auf Gangster, dann ist das immer ein Überzeichnung von einem selbst, wer man gerne wäre. Und bei mir ist das jetzt natürlich ein Mann, wahrscheinlich beim Album, und ich würde auch gern voll cool sein und bin es eigentlich gar nicht. Und vielleicht sage ich deswegen oft fuck, weil ich glaube, dass es cool ist.

Und wie verwendest du den Begriff bitch?

Boah, schwieriges Thema. Ich glaube ich sage am Album einmal bitch, ich weiss gerade nicht, es ist voll schwierig, ja da bin ich so im Zwiespalt, das ist echt eine arge Frage, weil da bin ich so im Zwiespalt, weil einerseits ein Teil von mir, ich glaube ich bin ein gescheiter Mensch und ich bin voll feministisch, bin ich wirklich, und es liegt mir vollkommen fern zu reden und zu rappen wie Rapper heutzutage, das bin gar nicht ich, ich bin als Mädel erzogen worden und habe voll die starke weibliche Seite natürlich, also nicht natürlich, nicht, dass jede Trans-Person das hat, aber ich habe das, und ich würde nie degradierend über Frauen reden, weil ich das einfach nicht fühle, aber natürlich gibt es eine Seite in mir, die gerne ein cooler Macker wäre, ich würde das nicht selbst rappen, aber ich höre auch Songs, wo oft degradierend über Frauen gesprochen wird, was voll scheisse ist, aber es macht ja keiner was anderes, alter, das ist einfach voll arg, wie findet man wirklich einen guten Rap, der nicht .., das ist schwierig.

Als Trans-Mann musst du jetzt gewissen Fettnäpfchen ausweichen, du bist zwar nicht in der Position von einem traditionellen Mann, weil du gewisse priviledges nicht hast, aber es gibt vielleicht Dinge, die jetzt anders sind.

Ja, voll, das stimmt absolut. Wenn ich als Frau bitch sage, dann geht das mehr. Ich habe mir das selbst gedacht, weil eigentlich habe ich voll viel, also ich habe dem nicht voll viel zu verdanken, aber es war ein großer Teil meiner Identität, dass ich eine Frau bin und es war immer, es war voll der Aufschwung, Frauen in der Musik, auf Festivals, da bin ich voll mitgeschwommen, und eigentlich muss man ja vollkommen verblöded sein, wenn man das wegwirft, wenn man nicht wirklich ist, aber für mich hat das alles keine Rolle mehr gespielt, aber du musst einfach zu dir selber finden, sonst kannst du nicht weiterleben, das macht überhaupt keinen Sinn, deswegen waren das zweitrangige Fragen, sind es auch noch immer, ich will der Mann sein, der ich bin und will herausfinden, welcher Mann ich bin und alles andere ist sekundär

Wie geht es dir mit Anerkennung? Du hast mehr als 500 Follower auf Instagram verloren, hast früher immer wieder über Hater geschrieben, du gibst einen Fuckfinger auf alle Leute, wenn eigene Fans abspringen, wie geht es dir damit?

Es hat mich schon sehr, es hat mich schon sehr berührt, dass ich merklich gesehen habe, es werden jeden Tag weniger Follower, seit ich mir die Haare geschnitten habe und seit ich das gesagt habe, es werden jeden Tag, bis dahin war es jeden Tag pchiiuh, und dann auf einmal, häh, an was liegt das jetzt, ja an was wird es wohl liegen, das war schon, das ist schon schlimm für mich gewesen, also eigentlich voll deppat, weil es ja nur Follower sind, aber man muss halt auch verstehen, dass meine Karriere schon auf meine Fans natürlich aufgebaut hat … aber jetzt ist es voll cool, weil man hat halt jetzt ein bisschen ausgemistet, und ich bin den Leuten überhaupt nicht böse, die mir entfolgt sind oder die jetzt mit Mavi Phoenix einfach nichts mehr anfangen können, das muss ich respektieren, mir ist das auch egal, und ich versteh das auch irgendwo, wenn ich mir denke, das ist voll die coole Frau und die zieht ihr Ding durch und dann auf einmal so, und wenn ich damit nichts anfangen kann und man muss einfach so ehrlich sein, obwohl es 2020 ist, die Leute haben überhaupt keine Ahnung von transgender Leuten oder kennen jemanden, der so ist, voll wenig, das sind trotzdem Außenseiter in der Gesellschaft, weil man eben auch so ein falsches Bild hat, was das heißt und man hat dann Berührungsängste, und ich möchte das voll aufbrechen, weil ich das selbst auch voll merke in meinem Umfeld, dass die Leute auf einmal, Freunde, mit denen du immer voll dicke warst, dass die dann voll Angst haben, dass sie fälschlicherweise “sie” sagen, oder sich denken, ah, machst gerade so viel durch, und das ist irgendwie glaube ich falsch und da muss man aber als Trans-Person voll auf die Leute zugehen, was auch voll schwer ist, aber irgendwie versuchen das zu brechen, dass die Leute ihre Berührungsängste nicht mehr, weil, die Leute haben schon Berührungsängste

Wie tolerant bist du da? salute meinte einmal, er sagt seinen Freunden, wenn sie einen Schas reden und über Schwarze auf eine komische Art reden, und trotzdem ist das für ihn anstrengend, dann gibt es Freunde, mit denen geht man diesen Weg und irgendwo denkt man sich bei anderen vielleicht, kenn ich nicht so gut, war immer schon ein bisschen ein Depp …

(lachen) Das gibt es auch, ja. Die besten Freunde interessieren sich ja auch voll dafür und wollen auch wissen, was man durchmacht und was die Gefühle sind, aber ich weiss nicht, es gibt auch Leute, wo ich merke, dass es nichts bringt, dass sie das nie verstehen werden. Das muss ich auch akzeptieren, weil ich sonst deppat werde, ich kann nicht die ganze Nacht wach liegen und mir denken, warum verstehst du das nicht, warum siehst du das nicht, dass ich eigentlich ein Mann bin und keine Frau. Wenn es die Person nicht versteht oder nicht fühlt, dann ist das irgendwo ihr Problem, dann kann ich nicht und will auch gar nicht dafür verantwortlich sein. Das gehört dazu, dass man das akzeptieren muss, auch für das eigene Wohlergehen.

Machst du schon selbst Witze über das Thema? Bzw von wem kannst du Witze darüber akzeptieren? Wenn ich jetzt einen Witz darüber machen würde, denkst du dir wahrscheinlich, was geht mit dem?

Ja, stimmt. (lacht) Es macht eigentlich keiner einen Witz darüber, wo ich darüber nachdenke, es mache nur ich Witze drüber, und meine Freunde sind dann eh so, ah, jetzt hör auf, ich sage zum Beispiel, ich habe einen Song, der “Look At The Trends”! heißt, irgendwann habe ich zum Alex gesagt, Look At The Tranny, zum Spass, er findet das schon lustig, aber er würde das nie, nie sagen, aber ich nehme mir das manchmal heraus, weil ich auch wieder auflockern will, haha, lustig, obwohl es nicht lustig ist und das brechen will, dass es so ein Tabuthema ist. Mein Gott, dann ist es halt so, es gibt alles auf der Welt, das gibt es halt Frauen, die lieber ein Mann sein wollen und Männer, die lieber eine Frau sein wollen und Leute, die sich überhaupt nicht einteilen wollen. Ich verstehe nicht, warum das immer so schwierig ist für die Leute zu akzeptieren.

Wie viele Leute kennst du, die trans sind?

Wenige. Erst jetzt mit meinem Outing. Eine Person in meinem Kindergarten, die jetzt das andere Geschlecht lebt, aber ich habe keinen Freund, der trans ist.

 

“Boys Toys” ist am 3. April 2020 erschienen.