Mira Lu Kovacs: Ich hasse Falco

Mira Lu Kovacs: Ich hasse Falco

Es gibt Risse im Raumzeitkontinuum, es muss sie geben, wie sonst soll Mira Lu Kovacs das bewältigen: ein mittelschweres Festival kuratieren, in drei vollwertigen Bands spielen, am Festival Primavera Sound auftreten und im KHM eine geköpfte Medusa beweinen.

Schmieds Puls, My Ugly Clementine, Ganymed in Love, 5K HD, Kuratorin des Popfests, Musikbeirat. Wie geht sich das aus?

Es geht sich wundersamerweise aus, mit den richtigen Partnerinnen und Partnern. Ich habe einen Kontrollzwang und gebe Dinge nicht gerne ab. Ich bin in einer Phase mit hohem Output, den ich verarbeiten muss. My Ugly Clementine ist eine schöne, neue Sache, niemand hat mit diesen Reaktionen gerechnet hat. Endlich bin ich Gitarristin, die im Hintergrund steht, in einer sehr begabten Gruppe. Die Kommunikation ist eine andere Welt, was wohl daran liegt, dass wir Frauen sind. Den Musikbeirat habe ich im Dezember aus Zeitgründen abgegeben. Das ist eine wichtige Arbeit, es war mit dem Popfest zu viel Verantwortung.

Geht es sich mit Kontrollzwang nicht noch schlechter aus, wenn man bei Bühnen, Videos, Artworks mitreden will?

Genau, es ist ja nie nur das, was man öffentlich sieht. Bei Schmieds Puls werden sich Drummer und Bassist ändern, die Band war super, aber ich wollte mir die Freiheit geben, meine Musik verändern zu dürfen, für die eine andere Besetzung vielleicht besser passt. Wir waren sieben Jahre zusammen, es gibt kein böses Blut. Wer denkt, jetzt wird alles anders, ich bin schon Schmieds Puls, ich bin die Komponistin, die Organisatorin, das habe ich mit Partnern zusammen entwickelt. Ich kann mit Schmieds Puls nicht aufhören.

Gibt es Bürozeiten und Timeslots?

Büro ist 24/7. Proben und Auftritte sind das Beste, da gibt es kein Büro, auf Tour muss ich Sorge tragen, dass ich fit bin, schlafen, essen, wenig Ablenkung. Momentan muss ich sagen, ist es zu viel, ich muss durch powern, vielleicht habe ich mich überschätzt. Nach Ganymed und Popfest gibt es wieder mehr Luft.

“Die meiste Zeit bin ich wütend”, “Ich bin schon lange ur grantig”, “Ich bin unfassbar gerne allein“ waren Überschriften von Interviews. Geht es dir gut?

Ich bin sehr wütend, grundsätzlich. Aber ich kanalisiere das, weil ich weiß, dass durchgehende Wut mich krank macht, dass sie keine Freude und keine Freunde macht. Meine Verbündeten machen mir das Leben leichter. Diesen Menschen muss ich nichts erklären, sie nehmen manches vorweg, was ich sagen möchte. Manchmal rührt mich das in den blödesten Situationen zu Tränen, weil ich in dem ganzen Wahnsinn nicht alleine bin. Ich vernachlässige sicher ein paar Leute, aber ich habe viele Freundschaften, die nicht verlangen, dass man sich durchgehend sieht. Viele stecken selbst in Projekten und brennen für etwas.

Du hasst es zu scheitern. Wann bist du das letzte Mal gescheitert?

Ständig, eh ständig. Manchmal bin ich zu ungeduldig und pushe. Was oft nicht nötig ist. Meine Gesangslehrerin hat einmal gesagt, weißt du Mira, wer langsamer geht, ist schneller da. Ein seltsamer Satz, aber ich weiß, was sie damit meint. Ich muss genießen können, was ich mache.

Bist du an Songs gescheitert?

Diese Songs gibt es. Manchmal will ich etwas erzwingen, was der Song nicht vorgibt und lasse mir nicht genug Zeit.

Wie hat sich dein Songwriting verändert?

Ich habe mich lange hinter Lyrics versteckt, mit Metaphern und Abstraktion gearbeitet. Heute scheisse ich immer mehr darauf, fuck it, I’m just gonna tell you how I feel.

Haben sich konkrete Personen schon in deinen Liedern erkannt?

Nicht, dass ich wüsste. Was mich wundert, weil ich manchmal recht konkret bin. Ich warte noch.

Fühlst du dich als Künstlerin heute verstandener?

Im letzten Jahr habe ich einen großen Schritt gemacht, ich drücke mich unmissverständlicher aus. Man darf polarisieren und anecken. Für manche bin ich dadurch eine feministische Extremistin.

Wie viel von diesem Bild kann man selbst kontrollieren?

Mein Manager hat mir mal gesagt, dass ich in der Szene als komplex und anspruchsvoll gelte. Anfangs dachte ich, wie sexistisch, ‘schwierig’ und ‘schrill’ wird Frauen schnell zugeschrieben. Dabei sind komplex und kompliziert nicht dasselbe, eigentlich bin ich gerne verschrien als anspruchsvoll und komplex. Es gibt eben Widersprüche, die es ständig gibt und meine Arbeit ist mir nicht egal.

Wir haben letztes Jahr über den Amadeus geredet. Die Jury sitzen jetzt mehr Frauen als Männer. Yasmo hat letztes Jahr beim Amadeus ein musikalisches Statement abgegeben. Wo gibt weiter großen Aufholbedarf?

Der Amadeus ist eine sehr absurde und manchmal amüsante Veranstaltung. So wichtig ist er vielleicht nicht. In den letzten Jahren ist vieles sichtbar geworden, Hyperreality hat viele Frauen im Programm, in der Kunst sehe ich Reaktionen, People Of Color … ganz langsam werden Räume anders besetzt. Viele junge Menschen mobilisieren sich. Gleichzeitig ist das ein krasser Kontrapunkt zu dem, was politisch passiert. Vielleicht ist es nur ein Tropfen auf den heißen Stein und in Zukunft wird vieles abgedreht. Es schaut düster aus, wenn Kickl mit Sklaverei anfängt oder die Gebühren des ORF abgeschafft werden sollen. Ich habe dafür keine Worte, denn alles wäre untertrieben. Diese anderen Fortschritte sind nur der allererste Schritt. Es gibt mehr Vielfalt, es gibt nicht nur weiße Männer, es gibt auch nicht nur weiße Frauen, auch Österreich ist nicht reinweiß. Dass das ganze Spektrum sichtbar wird, daran arbeiten wir wahnsinnig mühselig. Uns wird sicher bald der nächste Riegel vorgeschoben. Man muss damit rechnen, dass man bald noch mehr pushen muss.

Diese alte Geschichte von Tontechnikern in Venues, die es nicht schaffen Frauen anzusprechen, das passiert einfach auch immer noch?

Ich könnte einschlafen bei der Geschichte, ja.

Wie gehst du mit Künstlern oder Musikern um, die zweifelhafte Dinge getan haben? Michael Jackson, Klaus Kinski, Adolf Loos, Ernst Ludwig Kirchner haben etwa Kinder geschändet …

Ich kann den Mensch und das Werk nicht auseinander dividieren, so sehr ich es versuche. Sobald ich etwas über eine Person erfahre, kann ich das nicht wegrechnen. Ich finde es absolut wichtig, dass das sehr scharf verurteilt wird. Klaus Kinski kann ich mir nicht ansehen, dieser Typ ist ein Gewalttäter, diese Interviews sind nicht lustig, er war gefährlich. Und Woody Allen ist fucking creepy. Ich kann zuhause nicht mehr Michael Jackson oder R. Kelly hören. Mich empowert es viel mehr, wenn ich Leuten zuhöre, die starke Geschichten erzählen. Wenn sich eine Radiostation dazu entschließt, nicht mehr Michael Jackson zu spielen, respektiere ich das sehr. Wenn sie sich nicht äußert, sagt das etwas über ihre Sensibilität aus, was Musik und Kunst mit uns in der Gesellschaft macht. Es macht einen großen Unterschied, was ich mir ansehe oder anhöre. Und bitte, tanz zu “Beat It“ oder “Billie Jean”, aber setz dich damit auseinander.

Wie geht es dir mit Falcos “Jeanny“, das sich in die Perspektive eines Sexualstraftäters begibt?

Ich hasse Falco. Vielleicht ist das zu stark. Höre ich mir nicht an. “Jeanny“ ist furchtbar. Als Kind habe ich den Song nicht verstanden, später habe ich gespürt, wie mir der Song unangenehm wurde, irgendwas ist da schirch, das ist übergreifend. Und dann reden große Macker aus der Musikwirtschaft was er für ein Genie war. Es ist völlig übertrieben, wie er vergöttert wird. Einmal wurde ich angefragt Falco zu covern. Seine Texte gefallen mir einfach nicht, musikalisch passiert da nichts, was soll ich da interpretieren.

Was war die bescheuertste Frage, die dir von Journalisten gestellt wurde?

Wann bekommst du Kinder.

Wo ist die Grenze, wann sind Fragen zu privat?

Ich sage, wenn es zu viel wird. Manchmal ist es mir egal, ich stehe so viel in der Öffentlichkeit, dass ich relativ offenherzig sein kann. Es kommt auch auf die Fragesteller an. Wenn mich Männer nach Kindern fragen, sage ich, geh scheissen (lacht).

Würdest du noch eine Homestory wie die im Standard machen?

Ich denke nicht. Das war mir zu intim, zu nah, es wurden detaillierte Fotos von meinem Regal gemacht. Ich verbuche das als Erfahrung, ich habe nicht gecheckt, wie das sein wird. Schnee von gestern.

Hast du Bilder deiner Oma? Und wie bekannt war sie?

Als Künstlerin eher nicht bekannt, aber sie war sehr erfolgreich, hat Keramik gemacht, hat für Hotels das komplette Geschirr selbst an der Töpferscheibe gemacht, da gibt es immer noch einen gigantischen Bestand in einem Haus in Niederösterreich. Sie war sehr modisch, von ihr habe ich einen Mantel aus Kaschmir, der mir viel zu groß ist. Später hat sie Aquarelle gemalt. Eine Szene aus Griechenland habe ich bei mir in der Wohnung. Und ein Porträt, das hat sie von einem Schüler anfertigen hat lassen. In meiner Familie sind alle visuell-kreativ. Mein Opa malt auch, eher architektonische Konstrukte. Und er war gut auf der Trompete.

Du sagst in einem Interview, daheim wurde viel gestritten. Wann bringt auch ein Streit nichts mehr?

Scheisse, ich plaudere doch zu viel … Man merkt, wenn sich ein Streit auszahlt. Will man dabei Dampf ablassen, einen Konflikt lösen oder spürt man, dass es verlorene Mühe ist. Das Letzte weiss man spätestens währenddessen. Es ist gut das herauszufinden, dann muss man eine Zusammenarbeit oder eine Beziehung lösen. Man will sein Leben verbessern und nicht etwas aushalten müssen. Ich finde es auch besser, wenn sich Menschen trennen, statt für immer zu leiden.

Machst du dein Handy manchmal ganz aus?

Nie. Komplett stumm oder ich gebe es in einen anderen Raum. Bei 5K HD nehme ich viel alleine daheim auf, dort bin ich am entspanntesten, ich schicke die Aufnahmen für Feedback durch. Kreative Arbeit muss ich bündeln, ich habe mich im November für zwei Wochen in Berlin zurückgezogen und Songs geschrieben. Diese Zeit versuche ich mir zu nehmen. Im April setze ich mich an Arrangements von Schmieds Puls, auch aus Respekt vor der alten Besetzung, ab Juni spiele ich live mit Beate Wiesinger und Kathrin Kolleritsch.

Ganz praktisch, wie kann man doppelte Termine vermeiden?

Es ist sehr kompliziert. Ich habe mindestens fünf Whatsapp-Gruppen mit Bands und Bookern. Ich habe fast drei Manager und manchmal das Gefühl, ich manage sie (lacht). Nein, ohne diese Unterstützung würde ich durchdrehen. Aber es kann vorkommen, dass ich sage, Tom, red bitte mit Jessica, ihr müsst euch ausmachen, ob ich Zeit habe. Sie halten mir viel vom Leib.

Bekommst du oft kein Feuer auf der Straße?

Für das Video von My Ugly Clementine wollten die anderen das so. Ich bin militante Nichtraucherin, ich bin so aufgewachsen, dass Haus, Auto, alles verraucht war. Seit drei Jahren gehe ich in kein Lokal mehr, in dem geraucht wird. Meine Stimme ist sensibel, das muss ich akzeptieren. Dabei wollte ich immer rauchen, ich würde gerne diese coole Geste machen. Jeder von uns hatte zwei Sekunden Cameo. Barbara hat das super gespielt, Kathrin hätte ich fast nicht erkannt und Sophie [macht Kussmund] zeigt sich von ihrer Schokoladenseite.

Sophie Lindinger hat auch Regie geführt und Schnitt gemacht.

Sophie ist ein unglaubliches Multitalent. Sie hat das ganze Album produziert, fast alles eingespielt, komponiert, das Konzept gemacht, sie checkt alles. Die höchsten Props! Sophie war eine der ersten Frauen, mit der ich mich nur für Tech Talk getroffen habe. Vor einem Jahr hat sie mich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, nur Gitarre zu spielen, ich meinte, ja bitte, einmal nicht vorne stehen.

Nach das Konzert in Stunden ausverkauft war, wird das hochverlegt?

Wir haben das überlegt, aber es passt so. Ich will endlich im Rhiz spielen, ich habe noch nie im Rhiz gespielt. Es wird sicher weitere Termine geben. Im Oktober bin ich mit 5K HD auf Tour.

Ist das Vinyl auf dem Plattenteller im Substance schon das fertige Album?

Ich glaube, das entsteht noch. Das Album soll sich organisch und stressfrei entwickeln. Es gibt ein Repertoire, das werden wir am 14. Mai im Rhiz präsentieren.

Was sind die mittelfristigen Pläne?

Puh. Ich weiß nicht, was ich sagen darf. Was meinst du?

Es wird bald mehr Songs geben, irgendwann ein Album, dann wird man sehen, ob die Tour noch im selben Halbjahr passiert oder erst im Halbjahr darauf.

Sophie hat schon gesagt, dass es nächstes Jahr ein Album geben wird. Sie schreibt stetig daran, wir sind jetzt mehr involviert, riechen den Braten und genießen die Zusammenarbeit sehr. Viele Songs sind komplett von ihr, es gibt einen fixen Plan, wir bringen uns bei den neuen Songs ein und machen viel im Arrangement.

Würdest du Ganymed in Love als Liebesparcours bezeichnen?

Ich habe das Bild der enthaupteten Medusa von Rubens gewählt. Ihre Geschichte ist unglaublich. Sie ist von drei Schwestern die einzige, die sterblich ist. Und womöglich ist sie deshalb die Schönste. Weil sie so schön ist, wird sie auf dem Altar der Athena von Poseidon vergewaltigt. Athena ist darüber so erzürnt, dass sie Medusa verflucht. Ihre Schlangenhaare und ihr versteinernder Blick isoliert Medusa von ihrer Welt. Das treibt sie in den Wahnsinn und lebt in einem Figurenpark von versteinerten Menschen. Perseus enthauptet sie, während sie schläft. Und Rubens malt sie als Monster. De facto war sie ein Opfer und wurde wieder und wieder benutzt. Mich hat das so berührt und wütend gemacht. Ich finde diese Geschichte ist leicht ins Jetzt übersetzbar. Das ist, was ich mit Liebe assoziiere, Gewalt. Oft kann man sich Liebe nicht aussuchen, Liebe kann ein Rausch sein, in dem man sich gefangen fühlt. Der Medusa wurde die Fähigkeit genommen, sich zu entscheiden. Deshalb wollte ich das beklagen, ich will um und mit Medusa weinen.

Medusa, Hexen, ist das nur Zufall, oder muss man vom Patriarchat verachteten Frauenfiguren neu interpretieren?

Ganz sicher. Hexenverbrennungen waren Genozide an Frauen, das waren systematische Tötungen von Frauen, weil sie sich gewehrt haben, oft waren das die Heilerinnen der Gesellschaft.

Hörst du viel Purcell?

Ich habe meine Lieblingslieder. Purcell war ein Songwriter, wie Schubert später. “When I’m Laid In Earth”, das ich bei Ganymed singe, liebe ich sehr. Aber auch den “Cold Song” aus King Arthur, von dem es eine berühmte Version von Klaus Nomi gibt. Purcell übersetzt den König, der erfriert und stirbt, auf die Art wie gesungen wird, sehr Staccato mit Vibrato, das ist arg gemacht.

Wie ist das in der Hochkultur?

(lacht) Die Seitenblicke waren noch nicht da. Ich habe mit zwanzig als Aufseherin im Kunsthistorischen gearbeitet, kenne das Haus, die Hinterwege, ich mag es dort. Es ist ein wenig kalt. Ich stehe anfangs eine halbe Stunde lang auf der Haupttreppe vor der Löwenskulptur in einem schwarzen Trauerkleid und hebe meine Hände. Punkt sieben Uhr gehen wir zu unseren Stationen. Ich habe in meiner Performance einige Minuten Pause und liege auf diesem Podest. Ich performe alleine. Drei Stunden später bin ich oft erholt, die Arbeit ist intensiv, beinahe meditativ.

Ich würde mir eine Performance wünschen, in der das Knistern des Bodens verarbeitet wird.

Ja, ich finde es sollte nicht als so störend empfunden werden, obwohl es das natürlich ist.

Ist Jazz oder Kunst zu studieren ein Irrtum?

Es ist kein Irrtum, aber ich frage mich wie zielführend es ist. Willst du etwas verstehen, brauchst du einen Anstoß. Manchmal ist es toll, ich bin im Nachhinein sehr glücklich über meinen Weg.

Dieselbe Frage habe ich dir in einem Interview vor zwei Jahren gestellt.

Ich höre eben Horrorgeschichten von talentierten Leuten, die an Institute abtrainiert bekommen, was sie besonders macht. Das ist das Schlimmste. Miles Davis und Charlie Parker haben ihr eigenes Ding gemacht. Dann wurden Institutionen geschaffen, um etwas sehr Eigenständiges zu studieren. Ich glaube, das ist in vielen Fällen nicht der richtige Weg.

Wie hat sich das Bandgefüge bei 5K HD verändert?

Es hat sich verändert. Wir haben unterschiedliche Herangehensweisen. Manu Mayr und ich haben in den letzten Monaten viel zusammen komponiert, manchmal hat erst unser Produzent Monophobe alles in einen Zusammenhang gebracht. Es braut sich ein fantastisches Album zusammen.

Ihr spielt beim Primavera Sound. Auf welcher Bühne?

Ich glaube auf der Pro Bühne. Ich habe schon gehört, das Publikum kann auf dieser Bühne dünn sein, gerade wenn zeitgleich große Bands spielen. Da habe ich keine rosarote Brille.

Ihr habt beim Eurosonic Festival gespielt. Lässt sich abschätzen, was es gebracht hat?

Sehr viel. Aber das alles ist noch in Kinderschuhen. Wir werden ein paar Termine präsentieren, haben Kontakte geknüpft, gerade passieren viele wichtige Sachen, über die ich noch nichts sagen kann. Letztes Jahr wäre noch nicht der richtige Zeitpunkt für das Eurosonic gewesen, auch nicht für das Reeperbahn. Deshalb die Entscheidung, das heuer zu machen. 5K HD und Schmieds Puls sind auch nicht mehr streng geteilt, das eine Jahr das, das andere Jahr das. Das geht sich für niemanden richtig aus, ich will auch nicht so lange Pause machen. Ich wehre mich nicht mehr dagegen, die anderen auch nicht, jetzt machen wir wieder alles gleichzeitig. (lacht)

Wann und wie sollten andere Bands Showcase-Festivals spielen?

Sie sollten nicht jeden Schas spielen. Showcase-Festival sind nicht gleich wichtig. Als deutschsprachige Band ist das Reeperbahn sehr wichtig. Es gibt solche, bei denen steht Indiepop im Vordergrund. Für Schmieds Puls bringen nicht alle was, für 5K HD viele. Das Business ist aber generell ein Poker, viel hängt von Glück ab, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein, das richtige Gesicht, den richtigen Style. Eine Strategie ist gut, aber auch die beste Strategie kann nicht aufgehen.

Showcase Festivals sind manchmal wie ein Sklavenmarkt. Oder ist es nicht ganz so schlimm?

Doch, es ist voll schlimm. Ich bin sehr kritisch. Wer spielt schon gerne gratis, man ist Förderungen abhängig. Ich werde oft unterstützt, dafür bin ich sehr dankbar, aber wenn das nicht der Fall ist, spielt man für ein Minus. Beim Ment gab es ein Panel, “The Showcase Bubble and how to escape it”, im Text dazu hieß es, Showcase Festivals sind ein tolles Trittbrett für unerfahrene Musiker, die noch nicht wissen, was er übermorgen ist. Dabei bin ich vielleicht jung, aber sicher nicht unprofessionell oder unerfahren, und ich weiß genau, was übermorgen, in einem Monat und einem Jahr passiert. Ich habe ihnen gesagt, sie sollten diese Leute als ebenbürtige Musik- und Kunstarbeiterinnen behandeln. In Wahrheit bedeuten diese Bands ein sehr billiges Lineup für die Veranstalter. Die Qualität ist extrem hoch. Da ist der Respekt vor ihrer Arbeit sehr wichtig.

Wie viele gut gemeinte Ratschläge bekommst du für das Popfest?

Manchmal gibt es Beschwerden oder den Wortlaut einer Anfrage, aber wir wissen, warum wir diese und jene Entscheidung getroffen haben. Dann wird nicht mehr daran gezweifelt. Ich habe versucht schnell den Ruf als Bad Cop zu bekommen, das blockt einiges ab. Das Team ist fantastisch. Yasmo und ich unterstützen uns so gegenseitig, es ist das Leichteste mit Yasmo ein Festival zu kuratieren. Bei ihr weiß ich, dass inhaltlich alles passt, da kommen keine rassistischen, sexistischen Menschen auf die Bühne. Ein Veto hat es nur ein oder vielleicht zwei Mal gebraucht.

Was wäre ein guter Frauenanteil auf den Bühnen?

Ein guter Anteil von Frauen, People Of Color, non-binary und Personen, die sonst nicht sichtbar wären – hundert Prozent. Damit meine ich nicht, dass keine Männer kommen dürfen. Aber all die Geschichten, die nicht erzählt werden können, die Perspektiven, die nicht repräsentiert werden, das ist ein riesiges Versäumnis, es wäre ignorant, sie nicht auf die Bühne zu bringen. Nichts wäre langweiliger als ein kleines Nova Rock am Karlsplatz.

Clubs und Locations beschweren sich über Gratisfestivals, sagen sie können mindestens dieses Wochenende vergessen. Gibt es Möglichkeiten, diese einzubinden?

Ich bin daran interessiert, kulturpolitisch etwas zu verändern und sehe es als schöne Arbeit, das bestehende Festival mitzugestalten und mitzubestimmen, wer diese Bühne bekommt. Aber ich verstehe die Kritik. Die ist hundertprozentig berechtigt, wichtig und richtig.

 

Mira Lu Kovacs live mit My Ugly Clementine, Rhiz, 14. Mai. Ganymed in Love, Kunsthistorisches Museum, 23. März bis 15. Juni. 5K HD, Primavera Sound, 30. Mai, 31. Mai. Popfest 25. bis 28. Juli.