MC Yankoo: 381 Millionen Klicks

MC Yankoo: 381 Millionen Klicks

Der Wiener Rapper MC Yankoo ist im Netz größer als Conchita, Andreas Gabalier und Raf Camora. Warum gilt Österreichs größter YouTube-Star im eigenen Land dennoch fast nichts?

[Text zuerst erschienen in Profil]

Ihre Lippen sind pink, ihre Haare blond, und dazu schmettern die Trompeten. Milica Todorović und der Wiener MC Yankoo singen auf serbisch von einem Teufel, der ein Feuer zündet, von ihrem Goldschatz. “Moje Zlato“ war lange das meistgeklickte Musikvideo aus Österreich. Erst vor einigen Tagen wurde es von Andreas Gabaliers „Hulapalu“ überholt. 

Fast wäre “Moje Zlato“ nicht erschienen. Vor fünf Jahren war Milica Todorović in der Wien, der gemeinsame Booker hat sie in ein Wiener Studio gebracht. “Sie meinte, das will sie nicht singen, das ist der größte Schwachsinn“, erinnert sich MC Yankoo. “Nach der Aufnahme hat sie mich noch einmal angerufen, sie fand das nicht gut und meinte, ich habe sie überrollt.” Erst das Demo hat sie überzeugt. In dem geradlinigen Partysong rollen die Ziehharmonika-Phrasen, zum synkopischen Beat sollen die Leute ihre Hände in die Luft werfen, als hätten sie niemals Sorgen gehabt. Für einige Momente klappt das.

Beliebt ist “Moje Zlato“ vor allem am Balkan, aber nicht nur dort. Als Jugoslawien Anfang der 1990er-Jahre zerfiel und Krieg ausbrach, verstreute sich seine Diaspora über den Erdball, ganz besonders in Wien. Da wie dort waren Leute erstaunt, aber auch glücklich, als MC Yankoo jüngst zum ersten Mal einen Song auf Deutsch veröffentlicht hat. „Die Leute dachten, er ist Balkaner, fertig“, sagt er beim Interview im Wiener Café Rochus, zu dem er mit seinem Manager erscheint; „dabei habe ich immer gesagt, ich lebe in Wien.”

Wien ist nicht Niš

Geboren wird Aleksandr Janković vor 37 Jahren in Wien, auch wenn Wikipedia etwas anderes behauptet, er wächst im 17. Bezirk auf, am Schulhof wird Deutsch geredet, als Lingua franca, das ist einfacher für alle. Weil es seinem Vater wichtig ist, absolviert er eine Schulstufe in Serbien, nahe der Stadt Niš. Nun ist MC Yankoo kein sehr politischer Mensch, einige Fragen blockt er höflich ab. Aber seine Geschichte ist auch eine Lektion in Sachen Integration und Ausgrenzung. Das richtige Stichwort genügt.

Man wird beinhart abgestempelt, als Jugo, fertig“, antwortet MC Yankoo auf die Frage, wie es ihm damit geht, dass so selten über ihn geredet wird. Sein YouTubekanal lässt mit 381 Millionen Klicks alle anderen österreichischen Musiker weit hinter sich. “Einfach nur Disrespect“, sei es da, dass er noch nie zu den Amadeus Awards eingeladen wurde. Den großen Radiostationen passt seine Musik nicht ins Sendeschema. “In Deutschland sind sie offener”, sagt er, “aber hier werde ich nicht akzeptiert.”

Pop ist nicht mehr Pop

Das könnte sich ändern. Rap, Reggaeton und R&B dominieren die Gegenwart, über die Hälfte der konsumierten Musik in den USA kam im letzten Jahr aus diesen Genres, Rock und klassischer Pop sind nicht mehr Pop, schreibt die New York Times. Radios kommen an diesem Trend nicht vorbei, wenn sie weiterhin Werbegelder verdienen wollen. Und MC Yankoo bedient diese Genres punktgenau mit zwei neuen Songs. “Den Reggaeton-Rhythmus gab es in der Balkan-Szene schon immer, das war für mich nichts Neues“, sagt er. Auch der Erfolg von Raf Camora hat ihn motiviert.

Auf “Fake“ macht er sich über die Bling-Kultur im HipHop lustig, er rappt auf Deutsch, das Zeug von Gucci und Louis Vuitton ist gefälscht, die dicken Autos für das Video sind gemietet. Seine Fans finden das toll. Im Herbst soll es ein Album geben. Dabei wurde das Album-Format vor zehn Jahren schon totgesagt. Heute wird damit wieder Geld gemacht. Die Songs von Mero, Capital Bra oder Billie Eilish sind kurz, dafür zahlreich.

Youtube ist nicht gleich YouTube

Im ehemaligen Jugoslawien gibt es allerdings weder Spotify, noch Apple Music oder Amazon Music. YouTube aber gibt es. YouTube kann irritierend sein. Wer es öffnet, ohne sich anzumelden, hat freie Sicht auf die Plattform. Russische Kinderserien finden sich hier, Fußball und Sport, türkische Krimis, Schnäppchenjäger, Zweiter Weltkrieg, House-Mixes mit blonden Bikini-Models, die auf türkise Wellen starren. Das bringt Zuseher. Nur nutzen wenige Menschen YouTube so. Die meisten sind stets eingeloggt, fast zwei Milliarden monatlich. Von ihnen kennt YouTube Vorlieben und befeuert diese wieder und wieder mit Videos, die dem entsprechen, was man kennt. Das Phänomen ist nicht ganz neu, es nennt sich Filterblase und beschreibt, wie die Algorithmen von großen Internet-Konzernen vorgeben, was wir sehen wollen.

MC Yankoo nützt diese Blase wie kein Zweiter in Österreich. Keine andere Band, keine Musikerin und kein Gabalier kommen auch nur in die Nähe seiner Zahlen. Er betreibt sein eigenes Label, dreht die Videos und postet auf Instagram. Es gab ein Zeitfenster, in dem man sich so relativ leicht einen Namen machen konnte. Aber Facebook ist mittlerweile tot, sagt er. YouTube bringt vergleichsweise wenig Geld. Und weil man auf die großen Playlists der Streaming-Plattformen viel leichter kommt, wenn man bei einem großen Label unterschrieben hat – das geht so, sagt MC Yankoo und schnippt mit dem Finger –, hat er sich überlegt, eines der vielen Angebote anzunehmen. Aber was sie bieten, sei lächerlich.

Label ist nicht mehr Label

Dieser Meinung sind viele Musiker. Sie bauen ihr Team selbst auf, organisieren Touren, veröffentlichen auf dem eigenen Label – und nur wenige gehen noch mit den alten Platzhirschen eine Partnerschaft ein. Raf Camora, Seiler und Speer, Dame, Parov Stelar, Mavi Phoenix, Bilderbuch und auch MC Yankoo machen ihr Ding unter Voraussetzungen, die sie sich selbst geschaffen haben.

Am Willen zur Unabhängigkeit ist wohl MC Yankoos erster Vertrag schuld. Der war eine Katastrophe, meint er. Namen will er nicht nennen, als Lehrling bei einem sehr erfolgreichen, österreichischen Produzenten-Team wurde ihm damals die Studiozeit verrechnet. Es gab Auftritte, für die er kein Geld sah, ein Chef eines Clubs meinte hinterher, es sei schlecht gewesen, er solle sich schleichen, daneben standen zwei Securities. Auch mit Latin-House hat er es vor Jahren versucht, er wollte unbedingt entdeckt werden. Die Tour durch Italien war miserabel: “Du wachst am nächsten Tag auf, gestern war der Club voll, und du hast nicht einmal genug, um Essen zu kaufen.”

Sexismus ist immer noch Sexismus

MC Yankoo hat eine elfjährige Tochter. Ihr musste er früher oft erklären, warum er in seinen Videos mit anderen Frauen flirtet und feiert. Das Video von “Loca“ musste entschärft werden, es überlasst trotzdem nichts der Fantasie, eine Frau bietet sich der Meeresbrandung an, einmal perlt Wasser in der Sonne über ihren Busen, die Kamera starrt mindestens so oft auf ihr Becken wie in ihr Gesicht. Nicht alle seine Videos sind so offen sexistisch, die Rollen dennoch klar verteilt. Auf die Frage, ob er manche Clips heute nicht mehr drehen würde, antwortet MC Yankoo: “Ich sag dir offen, die Jungs finden das geil, fertig. Du hast Frauen im Video, damit die Jungs das anschauen.”

Wer einmal in Belgrad an der Save fortgegangen ist oder orthodoxes Neujahr in einer Disco gefeiert hat, weiß, dass dieses Frauenbild der Realität nicht völlig enthoben ist. Die Ausschnitte sind tiefer, die Haare glatter und die Fingernägel länger. Zwar wurde über Clubkultur in den letzten Jahren viel geschrieben, die Balkanszene ist dennoch ein weißer Fleck in den Köpfen vieler Menschen, auch von solchen, die sich gerne aufgeschlossen und tolerant geben. Hinter dem Gürtel, in den Randbezirken und den Discos in den Industriezonen österreichischer Städte werden VIP-Bereiche gebucht, Wodka in Flaschen bestellt, und manchmal hängt sogar das Konterfei von Nikola Tesla hinter der Bühne. An solchen Orten ist MC Yankoo groß geworden. Er ist drauf und dran, über sie hinaus zu wachsen.