Drogen x Austro-Pop: Hoch wie nie

Drogen x Austro-Pop: Hoch wie nie

Musiker schnupfen, spritzen, schlucken und ziehen. Manche Songs zeigen ihre Liebe zu den Drugs offen, andere ein wenig maskiert. Willkommen auf der Insel der seligen Sucht.

[Text zuerst in The Gap erschienen]

Essig und Acid werden ja ununterbrochen verwechselt. So war das auch, als ein junger Mann mit Schnauzer, der gerade als Jahrgangsbester die Akademie der Bildenden Künste abgeschlossen hatte, im Fernsehen auftrat. Es war an einem Hauptabend im Herbst 1972 bei der Großen Show-Chance, die sich der ORF hatte einfallen lassen, um saubere Teenager und unsaubere Hippies mit ihren Eltern vors Empfangsgerät zu locken. Dieser junge Mann, Heinrich Walcher, sang von einem „Gummizwerg“. Er wollte Schnee, Gras, Koks und Stoff. Und eben Essig. Manche verstanden Acid, es war eine dieser teuflischen Laurel-Yanny-Situationen. Sang er von Drogen oder sang er einfach Nonsens.

Sechzig

Er sang von Drogen. Wie andere vor ihm und viele nach ihm. Fünfzig Jahre läuft das mindestens schon so in der österreichischen Popmusik, in fast allen Genres und in allen Jahrzehnten. Alkohol ist dabei noch nicht einmal mitgemeint. Denn der gehört ohnehin zum Grundausstattung von Schlager, Rock und Metal. Es war Novak’s Kapelle, die den ersten lauten Schuss setzte. Ihre Debüt-Single handelt von Heroin, ein Teenager steckt sich eine Nadel tief hinein, er taucht ab in den Rausch und bittet schließlich das Publikum – das Novak’s Kapelle abgrundtief verachtete – ihm bei der nächsten Nadel zu helfen.

Beim ORF fand man das entweder total super oder hatte nicht auf den Text gehört. Jedenfalls wurde der Song „Hypodermic Needle“ für eine Silvestersendung 1968 ausgewählt. Sänger Walla Mauritz strahlt darin Sex aus wie eine atomare H-Bombe, während futuristisch kostümierte Frauen in einer Lollipop-Lava-Landschaft tanzen. Dass die Band auf ihrer nächsten Single zu Gewalt gegen die Polizei aufrief, kam nicht mehr so gut an, es gab Sendeverbot. In der Gesellschaft bildeten sich damals neue Allianzen zwischen Kunst, Musik und Substanzen. Drogen waren in den späten Sechzigern das Tor zum Ausstieg. Menschen mit langen Haaren wurde in der Straßenbahn schon mal „vergasen“ hinterher gerufen.

Zehn

Heute gilt Haschisch nicht mehr als das Rauschgift, das zwangsläufig in die Überdosis führt. Die grünen Knollen werden geraucht oder für gutes Geld weiter verkauft. Die LeanGang finanziert sich so immerhin einen Maserati. T-Ser macht aus seinem Hobby* (*KIFFEN) einen Beruf, er bezieht das Zeug aus Bratislava oder Praha und verbaut die Kilos im Kofferraum. Cannabis, Kokain und Amphetamin, all das ist selbstverständlicher Teil der Freizeitkultur geworden. Gleichzeitig zeigt man, man gibt einen Fick auf das System, das ohnehin kaum Chancen bietet. Stattdessen entsteht aus Autos, Analsex und Arzneimitteln ein lustiger Cocktail, mit dem man im Leben obenauf schwimmt. Das schafft der erfolgreichste Musiker im deutschen Sprachraum, Raf Camora, eigentlich auch einfach so. Aber wenn einem die Reime wie im Schlaf zufliegen, kann man auch einen Hit wie „Kokain“ raushauen. Joshi Mizu zeigt währenddessen die andere Seite. Er spielt den Junkie, der pleite aber glücklich ist.

Auf die Spitze treibt es Yung Hurn. Bianco ist das Pulver, das seine Nasenscheidewand zerfrisst, verstrahlt ist sein Flow, bummzua seine Worte. Wenn man früher vielleicht davon gesungen hat, dass man sich taub und hohl fühlt, dann demonstriert das eine neue Generation von Rappern mit Konsum. Man klinkt sich aus, man scheißt auf das, wie andere, ältere Menschen meinen, wie man sich auf den ERNST DES LEBENS vorzubereiten hätte. Stattdessen wird das Geld in Sneakers investiert, in streng limitierte Backsteine (von Supreme, google es einfach) und sehr wichtig auch in Drogen. Kollegen wie Crack Ignaz, Wandl oder Money Boy kennen das. Sie erzählen von Cola, Kush und so weiter. Musikhistorisch lässt sich eine nahezu gerade Linie zu texanischem Hip Hop aus den Neunzigern ziehen, bei dem gerne lila Hustensaft mit Kodein geschlürft wurde. Falls jemand meint, typisch Hip Hop, Nein, Not All Rappers.

Wenn man bestimmte Herrschaften – und es sind fast ausschließlich Herrschaften, die über Drogen singen – nach verdächtigen Zeilen filzt, findet man so gut wie nichts. Der Rap-Game-Song-Hybrid Dame ernährt sich lieber vegetarisch (kein Euphemismus), Gerard ernährt sich von Licht (gar nicht wahr) und Nazar ernährt sich von noch schlagenden Herzen von Neo-Nazis (wirklich so gesehen). Drogen gibt es in ihren Songs keine.

Achtzig

Einige Musiker sind an Drogen drauf gegangen. So wie Hansi Lang, Hansi Dujmic und Hansi Hölzel. Hansi Dujmic war überhaupt eine sehr tragische Figur, einer seiner Songs stieg erst posthum in die Charts. Gestorben ist er bei einer nächtlichen Drogentour. Hansi Hölzel aka T>>Ma aka Falco irgendwie auch, als er vollgedröhnt von einem Bus gerammt wurde. Und bei Hansi Lang spielten Spätfolgen eine Rolle. Seine Sucht muss man eher zwischen den Zeilen heraushören. Bei Falco stand sie dagegen ganz am Anfang der Karriere, an ihrem Ende und auch dazwischen. „Ganz Wien“ hatte er als Bassist bei Drahdiwaberl geschrieben. Der ORF hörte diesmal hin und setzte es 1981 auf den Index. Bei „Mutter, der Mann mit dem Koks ist da“ war man fünfzehn Jahre später nicht mehr so kleinlich.

Wolfgang Ambros widmete weißem Schnee Anfang der Achtziger gleich ein ganzes Album und dankte Max Stramm für die gleichbleibende Qualität auf der Rückseite des Covers. In Wiener Liedern schaut man schon länger gerne nicht nur ins Glaserl. “Ganz Wien storniert den Wein und raucht sich nur mehr ein“, sang Ambros einige Jahre früher auf “Du schwoazer Afghane“, als psychedelische Gitarren, Heurige Melodien und Walzer-Rhythmus eine selige Melange eingingen.

Null

Später war Ambros Teil der Supergroup Austria 3. Die anderen im Trio, Georg Danzer und Rainhard Fendrich, hatten mit Ambros gemein, dass sie – man ahnt es – früh schon Songs aufnahmen, in denen die Vorzüge des gedämpften Bewusstseins angepriesen wurden. Die 5/8erl, der Nino aus Wien und Voodoo Jürgens haben ebenfalls darüber gesungen. Ein bisschen baff war man womöglich, als Ja Panik in “Run From The Ones That Say I Love You“ von Heroin auf der Straße erzählten, das nicht anders schmeckt als am Schottentor.

Es kommt in den allerbesten Kreisen vor und in den allerschlechtesten. Man findet den Stoff bei Bilderbuch, bei Wanda und der EAV, im Ghetto, im Club, in der Reihenhaussiedlung, in der Vorstadt und auf der Alm. Wobei man zugestehen muss, dass im Schlager kaum offen thematisiert wird, warum sich dort alle so Hulapalu fühlen. Die Drogerie ist gut bestückt. Man redet nur nicht darüber und überlässt es allen anderen, Hymnen zu schreiben.

Nicht immer singen die, die süchtig sind, auch darüber. Und nicht immer sind die, die darüber singen, auch dauernd breit. Es gibt die, für die sind illegale Substanzen der Treibstoff ihrer Lieder und die, die eher beiläufig Lady C, Wundbenzin und Coca-i-Coca-i-Coca-Cola in ihren Werk-Körper einbauen. Schockieren kann man damit heute nicht mehr. Das ganze Dorf, die ganz Stadt, das ganze Land ist hoch wie nie.

 

Songs über Drogen erscheint als Teil von “100 wichtigsten Songs aus Österreich”.