18 Sep Wolf Haas: Weg mit dem Speck
Das Leben ist nicht leicht, gerade wenn man selbst schwer ist und jung. Wolf Haas kann mindestens eine Geschichte darüber erzählen.
Schuld ist ja nur der gebrochene Haxn. Nur deswegen hat der junge Mann so zugelegt, fast hundert Kilo sind es, ein Kummerspeck geformt aus vielen Schokoriegeln. Mit dreizehn Jahren ist das schon fast eine Leistung. Die Mutter helikoptert immerzu um ihn herum, während der Vater nicht da ist, weil er auf Alkohlentzug in der Irrenanstalt sitzt. Als wäre das für ein junges Leben nicht schon genug, ist der Mann auch noch groß geschossen und „mehrere Watschen zu gescheit“. In den Ferien arbeitet an der Tanke, er putzt die Scheiben, da kommt eines Tages die Elsa angerollt. Sie ist viel älter, aber schon seine Traumfrau. Blöd, dass sie verheiratet ist. Noch blöder, dass der junge Mann zu dick ist. Da hungert er für sie, 15 Kilo müssen mindestens weg, sehr schnell.
Das ist die Ausgangslage von Wolf Haas neuestem Roman „Junger Mann“. Eine Diät sei als Thema ja völlig ungeeignet für Literatur, gerade das habe ihn gereizt. Die Geschichte spielt in den 1970ern, die Zeichen stehen eher noch nicht auf Body Positivity, der Speck muss weg, da sind dem Autor alle sprachlichen Mittel recht. „Am Rücken schlanker als vorn“ heißt es einmal; und ein andermal: „Sauce ist am gefährlichsten.“ Überhaupt beherrscht Wolf Haas diese Lebensweisheiten wie kein Zweiter, diese Sprüche und die Sprache, in der sie daherkommen. Das kennt man aus den Brenner-Romanen, das geht hier so weiter. Die Süddeutsche Zeitung nennt ihn deshalb gleich einen Dialektschmeichler.
Es steckt wohl einiges aus seinem Leben in dem schlanken Buch mit den schlanken Sätzen. Wolf Haas wäre heute gleich alt wie sein Held, er hat ferialgejobbt, hat sich verliebt, hat eine Abmagerungskur gemacht, er ist genauso in Maria Alm im Pinzgau groß geworden. Einmal wird der Vater im Buch sogar als „Herr Haas“ angesprochen. Aber all das könnte Fiktion sein, denn wie der Autor in einem Interview so schön sagt: „Manchmal ist es authentischer, wenn man etwas erfindet, weil es das damalige Gefühl besser transportiert.”
Einmal biegt die Handlung unvorhergesehen ab, auf einer Straße geht es nach Thessaloniki, denn dort sind die Frauen noch unerreichbarer. Sonst aber ist „Junger Mann“ ziemlich geradlinig geworden, fast schnörkellos und wieder sehr witzig.