Kulturhauptstadt: Ein Lied von Salz und Wasser

Europäische Kulturhauptstadt Salzkammergut mit Bannerstadt Bad Ischl, Ansicht Sankt Gilgen

Kulturhauptstadt: Ein Lied von Salz und Wasser

Das Salzkammergut möchte mit Bad Ischl europäische Kulturhauptstadt werden. Selbst als Weltkulturerbestätte ist das eine enorme Aufgabe.

Mögest du in interessanten Zeiten leben, so lautet ein chinesischer Fluch. Man versteht diesen Fluch in Hallstatt nur allzu gut. Chinesische Touristen machen die Zeiten hier schon länger interessant, zu interessant, wie manche finden. Weniger als tausend Menschen leben hier in einem Dorf, das jährlich eine Million Touristen besuchen. Sie kommen in Bussen, bleiben fast nie über Nacht, schießen Fotos und es kann vorkommen, dass sie glauben, sie befinden sich in einer Art Disneyland der Alpen.

Chinesische Schriftzeichen weisen deshalb darauf hin, dass Hallstatt kein Museum ist, man möge bitte keine Grundstücke betreten, die Müllkübel benutzen und keine Drohnen fliegen lassen. Immerhin befindet man sich hier auf Boden, den die Unesco schon mehr als zwanzig Jahre zum Weltkulturerbe erklärt hat. Offiziell heißen diese 28 Hektar Land „Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein/ Salzkammergut“. Es sind interessante Zeiten, in denen die Menschen dort leben.

Salz und Wasser

Stefan Heinisch redet oft vom Leidensdruck. Er arbeitet mit einem kleinen Team daran, dass das Salzkammergut in fünf Jahren europäische Kulturhauptstadt wird. Man will aktuelle Fragen stellen und Kultur sehr breit denken. Wie breit, das sieht man daran, dass Salz und Wasser groß im Konzept stehen, die hier seit tausenden Jahren die Region prägen. Oder daran, dass man sich mit Hypertourismus auseinandersetzen will, der insbesondere im Sommer über der Kulturlandschaft hereinbricht. Das wäre eine europäische Dimension, meint Stefan Heinisch – Venedig, Amsterdam, Dubrovnik oder Barcelona ergeht es ähnlich, die Städte profitieren, aber Einzelne leiden teils erheblich.

Stefan Heinsich und sein Team lassen sich beraten. Etwa durch Neil Peterson, der schon an der Kulturhauptstadt Liverpool mitgearbeitet hat. Arbeiterbewegung, wirtschaftliche Pionierleistung und Mobilität sind Themen, die man womöglich nicht auf den ersten Blick im Programm einer Kulturhauptstadt vermuten würde. Man will die Schwächen des ländlichen Raums aufzeigen und natürlich sei das mit Risiken verbunden, weiß Stefan Heinisch. Aber alle würden das so wollen.

Man muss immer weiter aufbrechen

Alle – das sind drei Regionen mit fast zwanzig Gemeinden aus Oberösterreich, vier aus der Steiermark und zwei aus Salzburg. Weil sich Regionen aber nicht bewerben können, dient Bad Ischl als Bannerstadt. Als Kulturhauptstadt wäre sie mit einigem Abstand die kleinste aller Zeiten. Geht das denn überhaupt? Die unkonventionelle Idee lieferte ein Projekt von Studierenden der Technischen Universität Wien, die der Bad Ischler Bürgermeister Hannes Heide weiter anschob.

Anfang des Jahres winkte dann Gmunden ab. Damals hätte es aber weder Inhalte noch ein Budget gegeben, so Stefan Heinisch. Seine Tür steht nach wie vor weit offen, ohne Gmunden wäre eine Kulturhauptstadt Salzkammergut kaum vorstellbar. Man würde ohnehin mit vielen Gmundenern reden und Programm dort planen. Im Playoff spielen Teams mit einer anderen Aufstellung, da sei noch alles möglich.

Auch wenn das Salzkammergut reich ist und die Arbeitslosigkeit niedrig, gibt es in einzelnen Bereichen viel aufzuholen. Die Menschen wissen eher, was in Graz, Linz oder Salzburg passiert als einige Kilometer weiter über dem Berg oder am anderen Ende des Sees. Was in der Deutschvilla Strobl geschieht, davon hat man im Kino Ebensee wenig Ahnung – und umgekehrt.

Hier im Salzkammergut muss man immer mit drei verschiedenen Kulturreferenten reden, mit drei Landeshauptleuten oder ihren Stellvertretern. Und vielleicht hat man es sogar mit drei unterschiedlichen Gesetzen zu tun, die Verkehr, Bildung oder Steuern regeln. Im Wappen von Bad Aussee sieht man noch die Salzkufen, in dem von Altaussee Schlägel und Eisen für den Salzbergbau, aber diese Zeit ist lange vorbei und auch die Zeit, in der die das Salzkammergut Privatbesitz der Habsburger war. Die regionale Identität gibt es vor allem noch im Tourismus, sie wird nach außen getragen, aber kaum nach innen. Diese Einigelung will man aufbrechen.

Kultur-Akkupunktur

Das wird nicht ganz ohne klassische Hochkultur gehen. Man muss ein anspruchsvolles Programm bieten, wenn man international ausstrahlen will. Im Salzkammergut gibt es bereits zahlreiche Vereine und Institutionen, mit denen man kooperieren kann, das Mahlerhaus, die Festwochen, das Stadttheater in Gmunden, die Lehár-Villa, das Kino Ebensee, Vereine und Galerien. Neue Kulturbauten plant man nicht, aber man möchte gern zwei oder drei Orte revitalisieren und besser nachnutzen. Kultur soll auf diese Weise Nadelstiche setzen und die Region akupunktieren, um sie dann zu transformieren. Dachstein und Kaiser allein können’s nicht sein, so Heinisch.

Ein Budget im zweistelligen Millionenbereich ist dafür nötig, es soll zu Dritteln von den Gemeinden, Ländern und Bund kommen, die EU steuert 1,5 Millionen bei. Im Rennen sind ebenfalls noch Dornbirn und Sankt Pölten, eine Stadt aus Österreich wird auf jeden Fall planmäßig Kulturhauptstadt. Sollte die Wahl tatsächlich auf das Salzkammergut fallen, müsste sich Hallstatt wohl etwas überlegen. Denn so eine Kulturhauptstadt macht die Zeiten noch interessanter, als sie es ohnehin schon sind.