27 Feb Esports: Hi Leute, die Todgeweihten schicken euch Emojis
Esports haben es in Österreich nicht leicht. Ein Festival will das nun ändern. Zwei Topspieler erzählen Interview von Preisgeldern, Doping, Training und warum es so wenige Frauen in den Esports gibt.
Wir erklärt ihr Dota eurer Tante?
Mark Kostenz: Ein Team aus fünf Spielern hat eine Basis, auf der anderen Seite der Karte ist eine andere Basis, diese muss man erobern. Man versucht sich gegenseitig auszuschalten.
Muss man da nur schnell klicken? Wie viel macht Motorik aus, wie viel Taktik und auch mentale Stärke?
Josef Pfemeter: Schnell klicken ist eine Komponente und auch Hand-Auge-Koordination. Aber es braucht viel Taktik und Koordination, Taktik macht sicher 50 Prozent aus. Es ähnelt sehr stark Schach.
Wo sind die Unterschiede zwischen den größten Esports?
Pfemeter: In Dota gibt es derzeit das höchste Preisgeld, beim wichtigsten Turnier des Jahes waren es 25 Millionen Dollar. Zuseher gibt es die meisten bei LOL, weil es massentauglicher ist, es ist einfacher zu lernen, man braucht auch nicht so viel Wissen über das Spiel, es gibt weniger unterschiedliche Figuren. Pubg ist derzeit der größte Titel und hat die meisten Spieler. Bei Cs:Go muss man dafür im Bruchteil einer Sekunde reagieren können und millimetergenau mit der Maus sein. Das ist bei den anderen weniger wichtig. Es gibt überall starke Teams aus Europa, Nordamerika und Russland. Vor allem in Lol und Dota gibt es auch starke asiatischen Teams. Brasilien ist in Cs:Go derzeit ganz vorne dabei.
Wie viel Geld habt ihr schon für Kosmetik ausgegeben?
Kostenz: Ich hoffe, meine Eltern lesen das nicht. Für Dota ungefähr 600 Euro. Das ist wie Online-Shoppen, man merkt das nicht so, auf dem Spielerkonto ist sowieso immer Geld drauf.
Pfemeter: In Cs:Go war es jedenfalls ein Tausender. Man hat dadurch keinen spielerischen Vorteil, aber man freut sich halt, wenn eine Waffe besonders aussieht.
Über Kosmetik kommt das Geld großteils rein, das für Preisgelder verwendet wird?
Kostenz: Genau. Dieses Geld kommt aus der Community, die dafür besondere kosmetische Gegenstände bekommen kann.
Wer spielt den besten Invoker der Welt?
Kostenz: SCCC aus China. Er trifft einfach jeden Sunstrike.
Wie wird verhindert, dass bei großen Turnieren betrogen wird?
Kostenz: Es ist Usus, dass den Spielern die Handys weggenommen werden.
Pfemeter: Und es gibt eine Zeitverzögerung bei der Übertragung von bis zu acht Minuten. Auch die Hardware wird überprüft. Mit der Hardware kann man sich generell kaum einen Vorteil verschaffen.
Kostenz: Wenn man eine Maus mit vielen Tasten hat, kann man um einen Bruchteil schneller sein. Aber selbst die Pros haben nicht immer solche Mäuse.
Warum dürfen die Trainer manchmal mit in die Kabine hinein, in der gespielt wird, manchmal nicht?
Kostenz: Bei Dota ist die Positionierung enorm wichtig und zwölf Augen sehen mehr als zehn, das ist ein starker Faktor. Deshalb hat der Trainer da nichts in der Kabine verloren. Bei CS:GO darf er in den Spielpausen eingreifen.
Warum schauen sich das so viele Leute an?
Kostenz: Weil das Game so gut ist. Die Leute, die Dota ein paar Mal gespielt haben, werden davon in den Bann gezogen. Es ist anfangs schwierig zu verstehen, aber man bleibt dabei. Die Produktionen sind richtig professionell, man bekommt eine gute Show geboten.
Pfemeter: Es können sich Spiele immer wieder drehen, das ist extrem cool zu sehen.
Macht das für euch immer Sinn, was auf dem Schirm passiert? Manche Spielsituationen sind dermaßen chaotisch …
Kostenz: Ich spiele Dota seit zehn Jahren und mich überraschen immer noch sehr viele Dinge. Es kann im Spiel immer alles passieren, das macht die Magie aus. Wenn das von Experten aufgeschlüsselt wird, versteht man, warum ein Team das Spiel drehen konnte, obwohl es lange zurück gelegen ist.
Pfemeter: Dass man nur rein springt und alle Tasten drückt, so funktioniert das nicht. Man muss genau wissen, wann man was macht.
Wie viel Spielanalyse gehört dazu?
Kostenz: Pro Spielserie braucht man in etwa vier Stunden … bis hin zu Ende nie. Oft weiß man während des Spiels schon, was man falsch gemacht hat. Wenn man aber sehr gut gespielt hat, muss man den Fehler erst einmal finden und verstehen. Das kann ewig dauern. Teilweise ist das sehr frustrierend, weil man sich die Frage stellen muss, ob man überhaupt mithalten kann, das kann eine existenzielle Krise werden. Viele Spieler und Teams scheitern daran, sie verschwenden sehr viel Zeit mit dem Spiel, aber ohne Erfolg.
Man spielt das anfangs aus Spaß, wird besser und muss irgendwann so sehr auf jede Kleinigkeit achten, dass es wieder keinen Spaß macht …
Kostenz: Dota auf Profi-Level ist absolute Arbeit, täglich mehrere Stunden. Vielleicht spielt man einen Tag gar nicht, lernt aber in der Zeit das Spiel.
Ab wann ist man ein Pro?
Pfemeter: Ungefähr ein halber Prozent aller Spieler kann davon leben.
Kostenz: In Österreich gibt es ein paar semi-professionelle Turniere. Man spielt eher um einen Kasten Bier. In Dota und CS:Go gibt es niemanden, der Geld dafür verlangen könnte, anderen das Spiel beizubringen.
Pfemeter: Kakafu lebt davon, er coacht ein Team in CS:Go und ist in das Haus des Teams in Berlin umgezogen. Es gibt auch paar Leute, die im Netz streamen, Miss Rage macht das ziemlich erfolgreich. Ich schätze zwei Handvoll Leute aus Österreich verdienen ihr Geld mit Esports.
Sind das schon Influencer?
Pfemeter: Können sie sein. Miss Rage hat schon mit A1 eine Werbung gemacht.
Was müsste passieren, damit ein großes Turnier nach Österreich kommt?
Kostenz: Wir haben noch keine Idole, es gibt noch keinen Alaba.
Pfemeter: Die Wirtschaftskrise hat viel kaputt gemacht, die Szene ist eingebrochen, niemand war mehr bereit, zu investieren. Man braucht eben Geld, um Ligen zu betreiben. Es gibt aber auch eine Intoleranz. In meinem Umfeld hat niemand verstanden, wenn ich am Wochenende meinte, ich kann nicht fortgehen, ich muss trainieren.
Der Umgangston im Spiel ist manchmal sehr rau. Wann wird sich daran etwas ändern?
Kostenz: Wenn die ersten prominenten Spieler für lange Zeit gesperrt werden. Diese Spieler sind so toxisch, weil sie an sich selbst so hohe Ansprüche haben. Wenn etwas nicht funktioniert, wird so Dampf abgelassen. Wird haben auch selbst schon geflamet.
Pfemeter: Ich war einmal zwei Wochen gesperrt. Ich habe jemandem gesagt, dass er ein schlechter Spieler ist, mehr oder weniger, ein bisschen anders formuliert. Man hat eine Vorbildwirkung, da wird man härter bestraft. Im Grunde weiß man, dass man sich im Zaum halten muss.
Warum gibt es so wenige Frauen im Esports?
Kostenz: Es gibt das Gerücht, dass Frauen sich oft nicht zu erkennen geben, um einfach spielen zu können und nicht belästigt zu werden. Ich kenne zwei solche Frauen. Das ist absolut nachvollziehbar.
Pfemeter: Das Klischee des 16-jährigen Spielers trifft leider oft zu. Warum solche Leute etwas kompensieren müssen, indem sie auf Frauen losgehen, weiß ich nicht.
Kostenz: Wenn in jedem zweiten Spiel jemand sagt, hey baby und Schmatzgeräusche macht, wäre mir das auch zu viel. Andererseits gibt es Frauen, denen das völlig egal ist. Unter den Top 100 gibt es China jetzt eine Frau, in Europa aber gar nicht.
Es gab schon Wettskandale. Wie oft passiert das?
Kostenz: Nicht bei den großen Teams, weil es zu riskant ist. Bei Teams, die kurz vor dem Sprung sind, kommt das vor, eben weil sie noch kein Geld damit verdienen. Da gibt es oft Situationen, in denen man sich denkt, dass es nicht ganz koscher abgelaufen ist.
Pfemeter: Wenn man es nicht total dumm macht und mit dem Zweitkonto wettet, ist es aber schwer, das zu beweisen.
Gibt es Doping?
Kostenz: Es vom Spiel abhängig. In Dota sagt man immer, dass es nicht viel bringt. Ich glaube aber, dass Doping das Spiel immer beeinflussen kann. Alles, was deine kognitiven Fähigkeiten verstärkt, bringt etwas – gerade dann, wenn dein Kopf über lange Zeit gefordert ist.
Wie fühlt man sich nach einem Match, das im Extremfall über 90 Minuten gehen kann?
Kostenz: Man fühlt sich wirklich leer, als hätte man acht Stunden unter Dauerstress im Büro gearbeitet. Man braucht Zeit, bis man sich wieder konzentrieren kann, bis der Kopf wieder frei ist.
Wie wichtig ist da körperliche Fitness?
Kostenz: Jeder fitter du bist, desto mehr hilft es dir auch mental. Die großen Teams haben alle Fitnesstrainer. Dicke Zocker mit Chips und einer Halbliter-Dose Monster, das ist ein total falsches Klischee.
Glossar:
CS:GO: Kurz für Counterstrike: Global Offensive. Ein taktischer Shooter, in dem Terroristen gegen eine Anti-Terroreinheit antritt. Mehrere kleine Spielkarten, Serien aus kurzen Spielen.
DOTA 2: Kurz für Defense Of The Ancients. Große Zahl an Spielfiguren und Ausrüstung. Eine gleichbleibende Spielkarte, Spiele dauern typischerweise zwischen 30 und 70 Minuten.
Esports: Elektronische Sportarten, also alle Computerspiele, die in Wettbewerben gespielt werden.
Flamen: Beleidigende Kommentare, meist um anderen die Schuld an einer schlechten Situation zu geben.
Grinden: Erlernen monotoner Spielabläufe.
Invoker: Eine Figur in Dota, die sich durch hohe Anzahl unterschiedlicher Fähigkeiten auszeichnet.
Kosmetik: Äußerliche Veränderungen einer Spielerfigur, die keinen spielerisches Vorteil bringen
LOL: Kurz für League Of Legends. Ähnlich DOTA 2. Gilt als leichter und deshalb populärer.
Pro: Professioneller Spieler.
PUBG: Kurz für Playerunknown’s Battleground. 100 Spieler starten auf einer Karte, können Gegenstände und Waffen finden, wer zuletzt überlebt, gewinnt.
Electronic Sports Festival, 24. und 25. März, Hallmann Dome Wien