24 Apr Met New York: Herr Hollein
Das Metropolitan Museum zählt zu den drei wichtigsten Kunstmuseen der Welt. Max Hollein ist sein nächster Direktor.
Man braucht Tage und Wochen, um sich das Met richtig ansehen zu können, kosmische Buddhas, himmlische Madonnen, genagelte Fetische aus dem Kongo, Sessel von Chippendale, hebräische Manuskripte, ein mehr als drei Jahrtausende alter, ägyptischer Tempel – im Metropolitan Museum wird die ganze Menschheit ausgestellt, alle Epochen und Kulturen.
Vergangenes Jahr kamen über sieben Millionen Menschen ins Met, nur das Nationalmuseum in Běijīng und den Louvre in Paris besuchen noch mehr Menschen. 305 Millionen Dollar beträgt das Budget, das sind zwei Drittel des gesamten Kulturetats der Republik Österreich. Bald wird Max Hollein der neue Chef am Central Park, er war vorher schon der mächtigste Kulturmanager dieses Landes, weiter nach oben kann es kaum gehen.
Max Hollein ist in Wien aufgewachsen und hat hier studiert, Kunstgeschichte an der Uni und Betriebswirtschaft an der WU Wien. „Insofern schlagen zwei Seelen in meiner Brust”, sagte er in einem Interview der Deutschen Welle. Schon von klein an lernt er Künstler kennen, für ihn sind sie keine Wesen aus einer anderen Welt, sondern gehören zur Familie. Als Andy Warhol im Frühjahr 1981 für eine Schau seiner großformatigen Siebdrucke nach Wien kommt, bringt ihn der damals 12-Jährige Max dazu, jede einzelne Seite des Katalogs zu unterschreiben. Künstler gehen zuhause ein und aus, sein Vater ist ein berühmter Architekt – Claes Oldenburg, Zaha Hadid oder Coop Himmelb(l)au waren Freunde, die Mutter ist Modedesignerin.
New York, Teil Eins
Mit 21 macht er ein Praktikum in New York, Thomas Krens, der Leiter des Guggenheim, bietet ihm an, dort nach dem Studium zu arbeiten, letztendlich wird Hollein sein Assistent und Stabschef im Museum. Schon Holleins Vater hatte in den Neunzigern für Guggenheim geplant, Museumsprojekte für Salzburg und Wien werden allerdings nicht umgesetzt. Der Sohn soll sich um die weltweiten Verzweigungen des Guggenheim kümmern, in Berlin, in Las Vegas und Bilbao. Er lernt groß zu denken, nicht auf die Neinsager zu hören und ambitionierte Projekte mit Nachdruck zu verfolgen. Aber er bleibt nicht lange. „Ich muss hier gehen, weil ich Gefahr laufe, eine Kopie von dir zu werden“, meint er zu seinem Freund Thomas Krens. Also übernimmt Hollein mit 31 Jahren die Schirn Kunsthalle in Frankfurt.
Frankfurt
Die Schirn ist damals so schlecht besucht, dass manche sie sie schließen wollen. Und damals ist Gegenwartskunst noch kein Faktor, mit dem sich Städte für ihre globalisierten Kunden hübsch machen. Hollein kuratiert seine erste Ausstellung, „Shopping”. Darin blickt er durch die Brennlinse des Kapitals auf moderne Kunst von Dada bis Pop. Er bringt ein großes Kaufhaus auf seine Seite, bald steht “Du willst es • Du kaufst es • Du vergisst es” in riesigen Lettern auf dessen Fassade.
Die Schirn gewinnt an Profil, bald schon gilt sie als einer der aufregendsten Ausstellungsräume im deutschen Sprachraum. 2005 kuratiert Hollein den österreichischen Pavillon in Venedig, Hans Schabus baut einen Berg um und über das Gebäude in den venezianischen Giardini, Tunnel und Aufstiege eröffnen neue Perspektiven auf das Innen und Außen. Währenddessen wird Max Hollein in Frankfurt das renommierten Städel Museum mitsamt Liebieghaus angeboten. Die Schirn leitet er weiterhin, so will er das.
Er geht neue Wege, die in Deutschland fast schon verdächtig wirken, er stellt so viel privates Geld auf, wie noch niemand vor ihm, er geht ungewöhnliche Kooperationen ein. Mit dem Drogeriemarkt DM macht er Kunst zugänglich, hundert Kunstwerke können dort günstig ausgedruckt werden. Er verkauft grellgelbe Gummistiefel, mit ihnen kampagnisiert er für die Erweiterung des Städel Museums, selbst der Bürgermeister macht mit und trägt die Stiefel, ein Golfclub veranstaltet Benefizturniere, mit Konzerten und einem Ball wird Geld für den Ausbau gesammelt. Von 52 Millionen kommt die Hälfte am Ende aus privaten Quellen, im deutschen Sprachraum ist das einzigartig.
Auch in der Sammlungstätigkeit bricht er mit Traditionen. Mit zwei Banken handelt er lang laufende Kredite aus, damit aus bisher wenig erschlossenen Feldern der Kunst angekauft werden kann, etwa 2000 Werke werden es in seiner Zeit sein. Hollein verfeinert in Frankfurt sein Erfolgsrezept für Ausstellungen, er mischt Blockbuster und Underground. Und statt dabei alle zu vergraulen, bietet er für Liebhaber und Laien gleichermaßen etwas. Die Besucherzahlen erreichen stetig Rekorde, zuletzt sind es in Frankfurt fast eine Million.
"Contemporary Muslim Fashion" im Fine Arts Museum, San Francisco
Hollein ist im Gespräch für das Centre Pompidou, da machen Gerüchte die Runde, auch über sehr hohe Gehaltsforderungen, Hollein zieht seine Bewerbung zurück, er hätte seine Vision nicht durchsetzen können, ist zu lesen.
San Francisco
Stattdessen wechselt er zurück in die Vereinigten Staaten, an die Westküste zum Fine Arts Museum in San Francisco. Er stellt dort “Contemporary Muslim Fashion” aus, eine Einzelschau über Julian Schnabel eröffnet dieser Tage, im Rahmen einer Ausstellung über mittelamerikanische Tempel wird die gesamte Anlage von Teotihuacan in Minecraft nachgebaut – einem Computerspiel wie ein riesiger Sandkasten – und ist damit für Millionen Menschen zugänglich. „Er fordert die Belegschaft, aber sie mag es. Sie wird durch seine Energie, Intelligenz und Ambition unter Strom gesetzt“, sagt die Präsidentin des Museums, die 74-jährige Dede Wilsey.
Die Tempelanlage von Teotihuacan nachgebaut in Minecraft
Viele hat überrascht, dass die Wahl für das Metropolitan nicht auf eine Frau fiel, eine vergebene Chance hieß es dazu in der New York Times. Zwar sind Frauen an der Spitze von mittelgroßen US-Museen mittlerweile in der Mehrheit, bei Jahresbudgets jenseits von 15 Millionen sind sie mit nur mehr dreißig Prozent unterrepräsentiert. Trotzdem soll unter Hollein am Metropolitain für Diversität gesorgt werden, auch in der Sammlung, sie muss weiter geöffnet werden, die Kunst alter, reicher, weißer Männer soll eine nicht-mehr-alles-überragende Rolle spielen.
New York, Teil Zwei
Auf Max Hollein wartet viel Arbeit, es soll Schulden am Metropolitan geben und die Provenienz vieler Sammlungsobjekte gilt als problematisch. Als zehnter Direktor ist er für für zwei Millionen Objekte und alles andere verantwortlich – ankaufen, forschen, kuratieren, erhalten, veröffentlichen, designen, kommunizieren. Dass er alles kann, hat er schon bewiesen.