Lauriacum: Grenzfall Oberösterreich

Lauriacum, Zinnlegion

Lauriacum: Grenzfall Oberösterreich

Nördlich der Donau waren die Wilden, vor denen man die Zivilisation schützen musste. In Oberösterreich gibt es deshalb relativ viele Reste aus der Römerzeit.

Kolosseum ist keines geblieben und auch keine antiker Tempel. Wenn man römische Spuren in Österreich finden will, muss man oft tiefer graben. Am Graben in Wien etwa gibt es alte Mauern, dort wo früher die Konkubinen der Legionäre wohnten, oder in Enns unterhalb der Kirche St. Laurenz. Oft ließen sich dort, wo die Römer ihre Lager und Häuser errichtet haben, später andere Leute nieder. Städte wie Linz, Wien, Wels, Melk und Mautern gehen auf die Römer zurück. Aber nicht allen Befestigungen erging es so, Carnuntum oder Albing – dessen römischer Name nicht mehr bekannt ist – wurden aufgegeben.

Die Donau bildete früher die Grenze des römischen Reichs, an ihrem Ufer waren Soldaten stationiert, die Feinde aus dem Norden abschrecken sollten und wenn nötig zurückschlagen. Zwischen den großen Lagern standen alle 14 Kilometer Hilfskastelle für über hundert Legionäre. Ursprünglich wurde sie von einem Erdwall geschützt, später wurden viele mit Steinen befestigt. Das früheste Kastell wurde wohl an einer besonderen Biegung der Donau errichtet. Man vermutet, dass die Kelten den Ort nach dieser Krümmung benannt hatten, gekrümmt, also lentos. Davon leitete sich der Name des Stützpunkts ab, Lentia, oder später einfach Linz.

Länder am Strome

In Game Of Thrones liegt der Schutzwall gegen die Wilden ganz weit im Norden, im ewigen Eis. Wie Menschen hier überleben, ist nicht ganz einfach vorstellbar. Eine andere berühmte, echte Mauer zieht sich tausende Kilometer über Bergkuppen entlang, sie sollte das Reich der Mitte vor Feinden aus dem Norden schützen. Den römischen Limes an der Donau muss man sich ein wenig anders vorstellen. Hier gab es neben endlosen Wäldern auch zahlreiche Sümpfe, südlich der Donau hatten Römer große Städte errichtet. Das Gebiet wurde kolonisiert, es gehörte offiziell zum römischen Reich.

Man folgte dort römischen Gesetzen, verehrte römische Götter, pflegte römische Bräuche. Einer dieser Bräuche war die Badekultur. Ein Badehaus stand etwa in Ioviacum, heute Schlögen, es war 14 Meter lang und verfügte über einen Kalt-, einen Lauwarm- und einen Warmbaderaum. Villen waren mit einer Heizung in Fußböden und Wänden ausgestattet, Mosaike und Wandmalereien verzierten das Innere.

Locus Optimus

500 Jahre lange herrschten die Römer in Oberösterreich, über viele Jahre friedlich. Vor allem Kaiser Marc Aurel wertete das Grenzgebiet auf und investierte in Befestigungen. Er stationierte erstmals eine ganze Legion in Noricum, also ein paar tausend Soldaten mitsamt Reiterei, die streng ausgebildet wurden und das Rückgrat der römischen Streitmacht bildeten.

Die Legion lagerte in Lauriacum, dem heutigen Enns. Lauriacum war nahezu optimal gelegen. Man war an zwei großen Flüssen durch ein kleines Plateau dennoch vor Hochwasser geschützt. In der Nähe lagen Steinbrüche und fruchtbarer Boden. Zudem führten gleich mehrere wichtige Straßen vorbei, der Ort war also ideal, um hier eine Legion und Verwaltung zu beheimaten.

Der Statthalter von Noricum war hier stationiert, alleine hundert Menschen bilden sein Officium, eine beratende Behörde. Enns wuchs schnell auf etwa 25.000 Einwohner an, einer bunten Mischung aus Römern, Einheimischen und Zugewanderten. Heute noch wäre Lauriacum damit die fünftgrößte Stadt in Oberösterreich. Wein wurde importiert, genauso Datteln, Oliven, Öl oder Purpurschnecken, man aß generell viel Getreide, was häufig zu Karies führte. 

Insgesamt sicherte rund die Hälfte aller römischen Legionen die nördlich Außengrenze am Rhein und der Donau. Von den großen Militärlagern in Noricum und Pannonia aus führte Marc Aurel gegen die Markomannen Krieg, denn sie drängten so wie andere germanische Stämme ins Reich, wollten entweder aufgenommen werden oder plünderten ganze Landstriche. Einige Germanen hatten sich zuvor in Ravenna niedergelassen, revoltierten dort aber, weshalb der Kaiser sie verbannen ließ. Marc Aurel wollte mit dem Krieg offensiv den Frieden im Inneren sichern, er starb schließlich im Jahr 180 in Vindobona.

Attila schaut zwei Mal vorbei

Im 3. Jahrhundert wurde Lauriacum zweimal von den Juthungen, die anschließend sogar in Italien einfielen, geplündert und weitgehend zerstört. Die Stadt wurde wieder aufgebaut, für Forum und eine Stadttherme, die immerhin 28 mal 11 Meter groß gewesen war, reichten die Mittel aber nicht mehr. Ende des vierten Jahrhunderts wurden dann Türme und Tore der Stadt ein letztes Mal generalüberholt. Sonst aber wurde kaum noch gebaut, die Stadt schrumpfte, viele Soldaten wurden abgezogen und an anderen Orten im Reich stationiert.

Die nördliche Grenze des Reichs war über Jahrhunderte immer wieder bedroht. Rom war Mitte des fünften Jahrhunderts schließlich so weit durch innere Konflikte geschwächt, dass germanische Stämme und Hunnen das Machtvakuum für sich nutzen konnten. Zwei Mal durchquert Attila die Provinz Noricum und vernichtet dabei zahlreiche Siedlungen fast vollständig. Die Zeit der Römer endet. Zumindest nördlich der Alpen. Dort wo die Donau ins Meer mündet und südlich davon, herrschen die Oströmer noch tausend Jahre, bis mit Galileo Galilei, Johannes Gutenberg und der Eroberung von Ostrom schließlich die Neuzeit anbricht.

 

„Die Rückkehr der Legion” , oberösterreichische Landesausstellung bis 4. November in Enns, Schlögen und Oberranna.