Viennale: Manns- und Frauenbilder

Viennale erstmals Leitung von Eva Sangiorgi 02

Viennale: Manns- und Frauenbilder

Die Viennale startet ins erste Jahr mit neuer Chefin. Ihre Handschrift ist noch sanft, aber vielversprechend.

Es ist das erste Jahr der neuen Intendantin Eva Sangiorgi. Nach außen hat sich scheinbar nicht viel getan. Die Viennale hat kein neues Logo, keine blitzende Website, keine Goldenen Preise, keine spektakulär andere Festivalzentrale und keine Party-Sonderzüge. Man scheint in der Stadt fürs Erste genug von groß angekündigten Kulturrevolutionen zu haben, nachdem das Experiment bei den Wiener Festwochen abgebrochen werden musste. Die Viennale, Österreichs größtes Filmfestival, wird weiterhin so arbeiten wie bisher und ohne Limousinen, Blitzlicht und Interviews vom Roten Teppich auskommen müssen. Alles läuft wie immer. Nur die Filme sind neu.

Oder fast. Kleine Änderungen haben sich eingeschlichen. Das Programm ist jetzt nicht mehr in Spiel- und Dokumentarfilm unterteilt. Die Konsulenten, also die Programmberater, wurden ausgetauscht. Eva Sangiorgi plant für nächstes Jahr außerdem ein Gremium, das ihr bei der Auswahl hilft. Immerhin laufen in zwei Wochen rund um die Uhr cirka 270 Filme, viele erstmals in Österreich. Auf Trailer und Gerüchte kann man sich dabei nicht verlassen, man muss sie schon selbst sehen, vertrauensvolle Menschen aus dem Team. Man möchte dafür aus dem Vollen schöpfen. Eva Sangiorgi spielt sich damit langsam und sachte frei von dem Erbe, das Hans Hurch hier hinterließ. Beinahe wäre es gelungen, doch einen echten Star aus Hollywood in Wien zu begrüßen. Die Verhandlungen mit Chloe Sevigny scheiterten erst im letzten Moment.

Die erwartbaren, großen Namen

Also nimmt man mit Kalibern der Regie vorlieb. Von Claire Denis wird es „High Life“ mit Robert Pattinson („Twilight”) zu sehen geben, ihr Debüt in englischer Sprache, von Alfonso Cuaron „Roma“, der heuer in Venedig den Goldenen Löwen gewinnen konnte und von Lars von Trier wird „The House That Jack Built“ gezeigt. Dakota Johnson, die man aus den 50-Shades-Filmen kennen könnte, spielt die Hauptrolle in „Suspiria“, dem Remake eines legendären Horrorfilms aus Italien unter der Regie von Luca Guadagnino, der heuer mit „Call Me By Your Name“ für den Oscar als bester Film nominiert war. Die schaurige Musik kommt von Thom Yorke, dem Vorzeige-Paranoiker und Sänger von Radiohead.

B-Movies, eine quintessentielle US-amerikanische Kunstform

Diese prominente Auswahl könnte aber so ähnlich bei jedem Filmfestival Ende Oktober zu sehen sein. Anders verhält sich das mit der Retrospektive zu B-Movies. Eva Sangiorgi wurde von schwarz-weißen Filmen geprägt, das verriet sie einmal in einem Interview. Sie hat es geliebt diese B-Movies zu sehen, am liebsten nachmittags. Insofern erfüllt sich die 40-Jährige mit dieser Retrospektive wohl eine Art Kindheitstraum. Rund 60 Filme werden dabei von mittags bis in die Nacht im Filmmuseum gezeigt. Sie entstanden allesamt in den Vereinigten Staaten der 1930er, 40er und 50er Jahre. Dieses Genre sei eine quintessentielle US-amerikanische Kunstform, auch wenn es vorwiegend von Migranten und Menschen am Rand der Filmindustrie geschaffen wurde, so argumentiert der Katalog.

In vielen Kinos konnten damals Karten für Doppelvorstellungen gekauft werden, der zweite Film war oft am Fließband produziert worden, Szenen mussten schnell abgedreht werden, Spezialeffekte waren improvisiert. Diese B-Movies waren anfangs oft Western, später kamen Horror- und Science-Fiction-Filme hinzu. Berüchtigt ist beispielsweise „Plan 9 From Outer Space“, der lange Zeit als schlechtester Film aller Zeiten galt. Es waren in den B-Movies aber auch filmische Experimente möglich, die bei großen Produktionen dem Schnitt zum Opfer gefallen wären.

Absolut gegen Quoten

Dass die Handschrift von Eva Sangiorgi heuer nicht überdeutlich zu sehen ist, könnte auch damit zusammenhängen, dass sie schlicht wenig Zeit hatte. Sie musste das Festival Ficunam in Mexiko-Stadt noch zu Ende bringen, 16 Jahre hat sie dort gelebt, der Einfluss des lateinamerikanischen Kinos auf das Programm der Viennale ist derzeit aber noch überschaubar. Die laufende Intendanz war auch erst nach der letzten Viennale ausgeschrieben worden, als letzte Verneigung vor dem überraschend verstorbenen Hans Hurch.

Aufhorchen ließ Sangiorgi mit der Ansage, dass sie absolut gegen Quoten sei, es ginge in der Kunst nur um Qualität, nicht um Geschlecht oder Zahlen. Dass alle Tributes und Hommagen weißen Männern gewidmet sind, das sei eben so passiert. Oder dass der Eröffnungsfilm “Lazzaro felice” von einer Frau ist, der schon jetzt vielen Journalisten als Meisterwerk gilt.

 

Viennale unter Leitung von Intendantin Eva Sangiorgi von 25. Oktober bis 8. November.