Hedy Lamarr: Sex, Lügen und Zelluloid

Hedy Lamarr Pionierin von Bluetooth, Wlan, Aspen, Orgasmus im Film

Hedy Lamarr: Sex, Lügen und Zelluloid

Hedy Lamarr war Schauspielerin, Erfinderin und Hollywood-It-Girl. Eine Doku zeigt die unbeugsame Wienerin in ihrer ganzen, schillernden Größe.

Sie war schön, klug und unabhängig. Die Geschichte von Hedy Lamarr ließe sich heute leicht verfilmen. In Europa hat sie die erste Sexszene der Filmgeschichte gedreht. Von ihrem Erfolg in Hollywood war sie gelangweilt und forschte lieber an einer Methode, um Torpedos zu steuern, die nicht von den Nazis gestört werden konnte. Diesem Patent verdanken wir heute Bluetooth und sicheres Wlan. Hedy Lamarr hat sich von Männern nicht sagen lassen, was sie kann und was nicht. Sie datet John F. Kennedy, aber auch Frauen. In späteren Jahren wird ihr Verhalten unberechenbar, wohl eine späte Folge von Speed, das damals nicht verboten ist und von Ärzten in Hollywood als Teil von Vitamincocktails verabreicht wurde. Man erwischt sie beim Ladendiebstahl, Andy Warhol widmet ihr wenig später einen Kurzfilm. Ihre Talente, ihre Schönheit, ihre Stärke machen sie zu einer der ungewöhnlichsten Frauen des Jahrhunderts.

Sie hätte jeden haben können

Der Film „Geniale Göttin” ist übervoll mit außergewöhnlichen Details. Schon mit sechzehn ließ Hedy Kiesler Nacktfotos von sich machen. Auf dem Schloss ihres ersten Gatten – des austrofaschistischen Industriellen Fritz Mandl – ging sie auf Jagd und erlegte einen Hirsch auf 350 Meter Entfernung. Benito Mussolini war dort zu Gast, vielleicht auch Hitler. Sie flieht aus dieser Ehe, in der sie kontrolliert wird, spektakulär nach London. Den Filmproduzenten Louis B. Mayer lässt sie zuerst abblitzen, um ihn auf seiner Rückfahrt über den Atlantik geschickt zu beeindrucken. Sie lernt ein paar Brocken Englisch und wird mit „Algiers“ über Nacht berühmt. Später sagt sie, sie hätte damals jeden haben können, aber sie wusste nie, ob Männer an ihr interessiert waren oder nur an der Fantasie, die sie sich von ihr gemacht hatten.

Einer davon war Howard Hughes, der Luftfahrtpionier, der später in „Aviator“ von Leonardo DiCaprio verkörpert wurde. Über ihn sagt sie, er war ein schlechter Liebhaber. Dabei hilft sie ihm seine Flugzeuge schneller zu machen, kauft Bücher über Fische und Vögel und gestaltet die Flugzeugflügel nach ihren stromlinienförmigen Vorbild. „Du bist ein Genie“, soll er gesagt haben. Doch das ist längst nicht alles. Sie experimentiert mit Tabletten, die man zu einer erfrischenden Cola aufspritzen kann, meint später, sie hätte dabei allerdings nicht an die unterschiedliche Wasserqualität in den Regionen der USA gedacht.

Frequenzsprungverfahren

Ihre größte Idee hat sie im Jahr 1940, das Frequenzsprungverfahren. Bei der Umsetzung hilft ihr der Komponist George Antheil. Dadurch wissen – so wie in einer Radio-Fernbedienung von Philco – Sender und Empfänger gleichzeitig, auf welcher Frequenz gesendet wird. Die Navy winkt allerdings ab, später wird ihr Patent beschlagnahmt, weil sie offiziell eine Ausländerin ist. Kriegsanleihen darf sie vorher aber noch für die US-Armee sammeln, angeblich umgerechnet 343 Millionen Dollar.

In Hollywood sind die Karrieren für Schauspielerinnen damals kurz, es gibt kaum Rollen für alternde Schönheiten, Hedy Lamarrs Karriere dort dauert immerhin zwanzig Jahre. In ihrer fünften Ehe lebt sie recht zurückgezogen in Texas, baut in einem verschlafenen Skiort in Colorado ein Anwesen aus, das sie an die Alpen erinnert. Heute zählen in Aspen diese Grundstücke zu den teuersten in den Vereinigten Staaten. Manchmal sieht man Hedy Lamarr noch in Talkshows. Selbst für ihre Schönheitsoperationen liefert sie noch Ideen, manche werden heute noch genutzt, andere müssen korrigiert werden. „Sie hat Sehnsucht nach Wien. Und möchte einen Film gern drehen“, sagt sie einem österreichischen Journalisten am Telefon.

Erst in den Neunzigern wird sie langsam wiederentdeckt, bezeichnenderweise von der Kommunikationsindustrie. „Es ist auch an der Zeit”, richtet sie anlässlich einer Preisverleihung am Telefon aus. Verteidigungssatelliten umkreisen da schon die Erde, die mit ihrer Erfindung gesichert sind. Ihre Asche wird teils am Himmel in Wien verstreut, ein Teil am Zentralfriedhof bestattet. Zum hundertsten Geburtstag erhält sie dort ein Ehrengrab in der Sektion 33g nur wenige Meter von der Präsidentengruft entfernt. Google widmet ihr weltweit ein Doodle. Ja, das war längst an der Zeit.

 

Fünf Filme mit Hedy Lamarr:

Ekstase (1933): Der erste Sexszene der Filmgeschichte. Dabei sieht man Hedy Kieslers Gesicht in Nahaufnahme, wie sie scheinbar einen Orgasmus hat – ebenfalls ein völliges Novum. Der Film sei ohne ihr Wissen so geschnitten worden, meinte die Schauspielerin später. „Ekstase” war ein großer Skandal, die Kirche verdammte ihn, in den USA war er verboten, in Deutschland zensiert und mit Jugendverbot belegt, ihr Vater wollte sie beinahe umbringen. Heute gilt er gerade in sex-positiven Kreisen als Meilenstein.

Hedy Lamarr Pionierin von Bluetooth, Wlan, Aspen, Orgasmus im Film algiers

Algiers (1938): Ihr erster Hollywood-Film und ihr Durchbruch. Quasi über Nacht werden brünett und der Mittelscheitel en vogue. In „Algiers” wird ein Dieb wird in eine Dreiecks-Liebesgeschichte verstrickt. Der Film erhielt vier Oscar-Nominierungen und war die Vorlage für den legendären „Casablanca“. Lamarr war dafür als Hauptdarstellerin vorgesehen, Metro-Goldwyn-Mayer weigerte sich aber, sie aus ihrem Vertrag zu entlassen.

Hedy Lamarr Pionierin von Bluetooth, Wlan, Aspen, Orgasmus im Film white cargo

White Cargo (1942): Ein Schundfilmchen, um US-Truppen bei Laune zu halten. Lamarr spielt eine kongolesische Einheimische – auch weil ein Hollywood-Kodex die Darstellung von Liebesbeziehungen zwischen Weißen und Schwarzen verbietet. Für Produzent Louis B. Mayer waren Frauen entweder Heilige oder Huren. Lamarr klagt Mayer mehrfach, sie bekommt den Ruf, schwierig zu sein.

Samson and Delilah (1949): Epischer Sandalenfilm von Cecil B. DeMille. Nach „Vom Winde verweht” der zweiterfolgreichste Film des Jahrzehnts. Lamarr spielt Delilah, die im Alten Testament Samson das Haar abschneidet und ihm die Kräfte raubt. Der Film gilt als eine ihrer besten schauspielerischen Leistungen.

Hedy Lamarr Pionierin von Bluetooth, Wlan, Aspen, Orgasmus im Film loves of three queens

Loves Of Three Queens (1954): Lamarr produziert zwei Filme, für Frauen eine absolute Seltenheit. Allerdings sei sie eine gute Künstlerin und schlechte Geschäftsfrau, meinte sie später. Lamarr spielte gleich drei Frauen, mit Regisseur Edgar G. Ulmer stritt sie aber so sehr, dass dieser erstmals seine Dreharbeiten abbrach.

 

„Bombshell” / “Geniale Göttin – Die Geschichte von Hedy Lamarr“ läuft derzeit in den Kinos.