Film China: Verführung aus dem Reich der Mitte

Filmland und Filmmarkt China, Tiger And Dragon

Film China: Verführung aus dem Reich der Mitte

China ist gerade dabei, der weltweit größte Filmmarkt zu werden. Das wirkt sich auf das globale Filmschaffen aus. Eine kurze Einführung.

Nur Star Wars war erfolgreicher. Fast 900 Millionen Dollar hat „Wolf Warrior 2” in China eingespielt, diese Zahl wurde in einem einzelnen Markt nur noch vom ersten der neuen Star Wars-Filme übertroffen. Trotzdem hat in Europa kaum jemand von dem Film gehört. Dabei solle man über diesen Film reden. Er zeigt das neue Selbstverständnis, mit dem China mittlerweile auf der Weltbühne handelt. Bisher spielten chinesische Filme fast ausschließlich im Reich der Mitte. Lange hatte man sich isoliert und im eigenen Markt abgeschottet. Heute aber gibt man sich in China als Fürsprecher des freien Welthandels und der friedlichen Kooperation. Und so kämpft auch dieser Wolfskrieger auf der ganzen Welt gegen das Unrecht. Im zweiten Teil schützt er Rettungskräfte in Afrika vor finsteren Waffenhändlern. Wolf Warrior verkörpert den selbstbewussten Nationalismus, den auch Xi Jinping nach innen propagiert.

Strenge staatliche Kontrolle

Chinesische Filme stehen unter strenger staatlicher Kontrolle. Vor zwei Jahren wurde ein neues Gesetz verabschiedet, das sicherstellen soll, dass die Würde, die Ehre und die Interessen der Volksrepublik nicht verletzt werden. Filme sollen nicht nur den inneren Frieden sichern, sondern auch der Welt zeigen, dass man sich vor China nicht fürchten muss. Man nennt dieses Konzept auch Soft Power. Denn wie viel Einfluss man in der Welt geltend machen kann, liegt nicht nur in militärischer und wirtschaftlicher Stärke, sondern auch in weichen Faktoren. Filme sind relativ ideal, um diese zu transportieren. Also versucht man, chinesische Filme in die Welt hinaus zu tragen. Das gelingt zwar längst nicht so gut wie in Hollywood, aber vor zwei Jahren konnten auf diese Art immerhin rund 550 Millionen und vor einem Jahr 660 Millionen Dollar eingespielt werden.

Hollywood goes China

Früher gelang das vor allem mit Martial-Arts-Filmen. Männer bestehen ein Abenteuer, müssen sich durch Wälder, Tempel oder auf Berge hoch kämpfen. Das kann lustig oder historisch angehaucht sein. Bruce Lee und Jackie Chan sind die Säulenheiligen dieses Genres, die damit auch in Übersee erfolgreich waren. In jüngster Zeit hat man die Strategie erweitert. Stars aus Hollywood werden für chinesische Filme verpflichtet. Einer der ersten war Christian Bale. In „Flowers Of War“ (2001) spielt er einen amerikanischen Bestatter, der in die Wirren der japanischen Kriegsverbrechen von Nánjīng – vielleicht das große Trauma der jüngeren chinesischen Geschichte – hinein gezogen wird. Adrien Brody, Tim Robbins oder Bruce Willis haben es ihm gleich getan. Und auch Matt Damon ließ sich einen Pferdeschwanz wachsen, damit man in einer gigantischen Schlacht an der Großen Mauer ein bekanntes Gesicht sehen kann. Die Kritiken sind vielfach durchwachsen. „The Great Wall“ konnte seine Kosten immerhin mehr als doppelt einspielen.

Größter Filmmarkt

Für westliche Kinobesucher ist der Einfluss Chinas aber noch viel deutlicher in Filmen aus Hollywood sichtbar. China ist ein riesiger Markt, den man nur schwer ignorieren kann. 3,17 Milliarden Dollar war der Filmmarkt im ersten Quartal schwer und hat damit zeitweilig ganz Nordamerika überholt. Im Land gibt es mehr als 50.000 Kinosäle. Viele Hollywood-Filme spielen in China schon mehr Geld ein, als daheim – allein heuer waren das bereits „Ready Player One”, „Tomb Raider“ oder die Fortsetzung von „Pacific Rim“, aber auch Filme aus Indien und Thailand.

Zahl ausländischer Produktionen beschränkt

Wie den meisten Konzernen aus Europa und Amerika wird es aber auch Filmen nicht leicht gemacht. Die Zahl der Produktionen aus dem Ausland ist beschränkt, selbst wenn sie Partner im Land finden. Außerdem gibt es Auflagen. Die territoriale Einheit Chinas darf etwa nicht in Frage gestellt werden – dazu gehört Taiwan und das südchinesische Meer. Aberglaube, Obszönitäten und ethnischer Hass dürfen nicht geschürt werden. Und generell muss der soziale Frieden gewahrt bleiben. Natürlich sind viele dieser Kriterien dehnbar.

China goes Hollywood

Man will sich das Publikum in China gewogen halten. Im „Marsianer“ führt das dazu, dass die fehlende Komponente, um den Weltraum-Robinson zurück zu holen, von den chinesischen Partner geliefert wird. In „Arrival“ ist es ein chinesischer General, der den entscheidenden Impuls für den Frieden auf Erden gibt. Und die Monster in „Pacific Rim“ werden von Shanghai aus bekämpft. Manche Filme bekommen für den Kinostart in China eine eigene Fassung mit entsprechenden Nebenfiguren und Produktplatzierungen.

Enorme Investments und drohende Stafzölle

In Qīngdǎo wurde im April ein riesiges Areal eröffnet, ein acht Milliarden teures Ensemble aus Studios, Kulissen, Hotels und Kinos. Es gibt sogar einen Yachtclub. Die technische Ausstattung ist auf dem letzten Stand, die Löhne sind vergleichsweise billig. Man will nationale und internationale Produktionen anziehen, Filme, Serien und Werbung. Das Projekt wurde von einem chinesischen Milliardär gemeinsam mit der Stadtregierung errichtet. Es zeigt nicht nur, in welchen enormen Dimensionen hier geplant wird, sondern auch das Risiko, das man einzugehen bereit ist. Sollte die Strafzölle ausgeweitet werden, die unter Präsident Trump verhängt wurden, könnten Fotografen hier bald verwaiste Betonmonster ablichten.

 

7 Filme aus China, die man gesehen haben sollte:

(c) Studiocanal

Rote Laterne (1991): Autorenkino. In diesem frühen Meisterwerk von Großmeister Zhang Yimou muss ein Mädchen als vierte Frau in eine Familie einheiraten. Die gesellschaftlichen Zwänge in den engen Mauern werden zunehmend erdrückend.

(c) Studiocanal

Tiger and Dragon (2000): Martial Arts. Ein Coming-Of-Age-Film wird mit einer Liebesgeschichte, spektakulären Kampfszenen und philosophischen Zwischentönen verwoben. Vier Oscars, u.a. für besten fremdsprachigen Film.

(c) Asian Union Film

Devils On The Doorstep (2000): Tragikomödie. Ein Dorf wird gezwungen, während des Zweiten Weltkriegs zwei japanische Gefangene zu verstecken. Wegen seines ironischen Tons ist der Film in China verboten.

(c) Sony Pictures

Mountain Patrol (2004): Moderner Western. Im tibetischen Hochland machen Wildhüter Jagd auf eine Gruppe von ruchlosen Antilopen-Wilderern. Spannungsgeladen und beeindruckende Landschaftsaufnahmen.

(c) Arrow Films

A Touch Of Sin (2013): Drama. Die New York Times kürte ihn zum viertbesten Film dieses Jahrtausends. In vier Episoden bricht durch soziale Konflikte in einem sich rasant verändernden Land plötzlich Gewalt aus.

(c) Arrow Films

Feuerwerk am helllichten Tage (2014): Thriller. Gewinner des Goldenen Bären der Berlinale. Ein ehemaliger Polizist wird im kalten Norden Chinas mit dem Nachhall eines alten Mordfalls konfrontiert. Düster im Stil des Neo Noir inszeniert.

(c) Alive Vertrieb

The Mermaid (2016): Blockbuster. Damals erfolgreichster chinesischer Film aller Zeiten mit starken ökologischen Untertönen. Ein Geschäftsmann verliebt sich in eine Meerjungfrau. Ihr Reich ist allerdings durch seine Geschäftemacherei bedroht.