23 Jan The Room: Oh hi, Mark
Was ist Kino? Was ist Liebe? Und was machen diese Löffel hier? The Room stellt diese große Fragen wie kein anderer.
The Room gilt als bester schlechtester Film aller Zeiten. Und die Geschichte dahinter ist so eigenartig, dass James Franco sie verfilmt hat. The Disaster Artist ist eine Verbeugung vor dem geworden, was Hollywood sein kann, eine Liebeserklärung an seine merkwürdigsten Seiten.
Die Geschichte beginnt in einer Schauspielklasse in San Francisco. Greg Sestero lernt dort Tommy Wiseau kennen, der einen sonderbaren Dialekt spricht und nicht verrät, wo und wann er geboren ist. Sie freunden sich an, gehen nach Los Angeles, wollen dort Fuß fassen. Als das nicht gelingt, drehen sie 2003 selbst einen Film. Tommy Wiseau schreibt ihn, produziert ihn, führt Regie und spielt die Hauptrolle. Er finanziert The Room aus eigener Tasche, angeblich mehr als sechs Millionen Dollar, niemand weiß, woher das Geld kommt.
Am Set hat er eine eigene Toilette, weigert sich Wasser für das Team zu kaufen, er gibt erratische Anweisungen, lässt den Dreh dokumentieren und spioniert das Team aus, hat Schwierigkeiten sich seine Zeilen zu merken. Die Premiere läuft aus dem Ruder. Die Leute klatschen und johlen, nur nicht vor Begeisterung. Tommy Wiseau zahlt danach zwei Wochen lang für ein Kino, damit sich der Film für die Oscars qualifizieren kann.
Ein großes Werbeplakat überragt mehr als fünf Jahre lang die Highland Avenue in Hollywood, darauf das verbeulte Gesicht von Tommy Wiseau und eine Telefonnummer. Wer dort anruft, erfährt von ihm persönlich, in welchen Kinos The Room gespielt wird. 2008 ruft schließlich ein Journalist von Entertainment Weekly bei Greg Sestero an, er hatte gerade die beste Kinoerfahrung seines Lebens, er hat The Room gesehen, auf Unis werden Vorlesungen darüber gehalten, viele Hollywood-Stars sind Fans, er will eine Story darüber schreiben. Daraufhin verfasst Sestero das Buch „The Disaster Artist” über den Dreh.
You’re tearing me apart
Es gibt viele Leute, die The Room mehr als hundert Mal gesehen haben. Sie machen den Kinobesuch zu einem Ereignis, sie werfen mit Löffeln, wenn diese auf der Leinwand zu sehen sind, rufen laut dazwischen und kennen bei allen wichtigen Stellen die Dialoge auswendig: „I did not hit her, it’s not true, it’s bullshit. I did not hit her, I did naaht! Oh hi, Mark.” Oder das ikonische „You’re tearing me apart, Lisa!”, das er sich von James Dean abgeschaut hatte.
Nach allen Regeln der Kunst ist The Room ein sehr schlechter Film, nichts passt. Die Dialoge sind völlig neben der Spur, die Sexszenen eine ungefähre Annäherung daran, was zwischen zwei Menschen in einem Bett passiert, die Musik ist pathetisch, ständig kommen und gehen Leute, sie tun eigenartige Dinge, werfen sich Footballs zu und lachen an unpassenden Stellen, viele Handlungsstränge tauchen einmal auf und dann nie wieder. “Es ist so, als hätte man einem Alien sehr genau erklärt, was ein Film ist und anschließend einen drehen lassen”, so hat es ein Journalist ausgedrückt. Er ist das Citizen Kane schlechter Filme und stellt die künstliche Natur von Hollywood bloß, so ein anderer Journalist.
Die großen Fragen der Gegenwart
Die Faszination für The Room ist vielschichtig. Man ist versucht zu sagen, er ist so schlecht, dass es schon wieder gut ist. Aber das greift zu kurz. Wer sich The Room ansieht, macht das nicht einfach nur, um sich über den Film lustig zu machen. Der Film macht viel Freude, Fans lieben ihn, die Begeisterung ist echt. Nicht nur, weil aus ihm eine unendliche Leidenschaft fürs Kino spricht.
Es sind auch seine Themen, die Irrationalität von Menschen, der amerikanische Lifestyle, Parties feiern, schwere Krankheiten, Verrat oder der zentrale Konflikt im Film, ob Selbstverwirklichung oder materielle Absicherung wichtiger ist. Die Hauptfigur im Film kümmert sich um seine Verlobte, er kauft ihr alles, sogar ein Auto, er ist ein guter Versorger. Aber sie will Leute kennenlernen, er ist ihr langweilig geworden, sie liebt ihn nicht mehr.
Disaster Artist
James Franco wollte den Stoff unbedingt verfilmen. Er war selbst immer wieder in der Situation, dass Arbeiten, von denen er selbst überzeugt war beim Publikum durchfielen und umgekehrt. Tommy Wiseau mochte James Franco seit er im Film „Sonny“, dem Regiedebüt von Nicholas Cage, die Hauptrolle als Gigolo gespielt hatte. Passenderweise war auch dieser Film ein Desaster, finanziell und bei der Kritik. Für The Disaster Artist hat James Franco erstmals mit seinem Bruder Dave zusammen gearbeitet. Die Regie hat er dabei so geführt, dass er nie aus seiner Rolle gefallen ist, also mit dem seltsamen Akzent und dem hängenden Auge.
Die Geschichte von The Room ist gleichzeitig eine fantastische Farce. In Hollywood zerschellen beinahe stündlich Träume vom großen Weltruhm, kaum jemand schafft es wirklich, viele tingeln von Agentur zu Agentur, mühen sich mit den Studios ab, verpulvern viel Geld, um ihren Traum zu verwirklichen und geben dennoch irgendwann auf. Über sie redet niemand, niemand macht einen Film über sie.
Dass jetzt ausgerechnet Tommy Wiseau in Talkshows und bei den Golden Globes auftreten kann, um über sein Leben und seinen Traum zu reden, ist für sich eine Geschichte, die doch nur Hollywood schreiben kann.