17 Dec Electric Spring: Das ist die neue Kuratorin
Katharina Seidler sagt nicht wahnsinnig gern Kuratorin. Vielleicht weil heute so ziemlich alles kuratiert wird. Sie sagt lieber, sie arbeitet jetzt beim Electric Spring mit. Offiziell ist sie natürlich genau das, die neue Kuratorin des Electric Spring.
(zuerst bei The Gap erschienen)
Katharina Seidler beschäftigt sich seit Jahren mit elektronischer Musik. Zuerst beim Skug, später bei The Gap – erster Artikel 2009, später eine Coverstory zu Wiener Clubkulturund jetzt eine Kolumne zum selben Thema –, später übernimmt sie die Party-Kolumne im Falter – dort ebenfalls mit üppiger Coverstory zu Wiener Clubkultur – und wächst über ihre Arbeit beim Sumpf immer weiter bei FM4 rein, wo sie mittlerweile auch angestellt ist. Darüber, dass das Electric Spring also top … kuratiert sein wird, muss man sich keine Gedanken machen.
Über den ganzen Rest haben wir uns kürzlich unterhalten.
Das Electric Spring war wohl doch kein Wahlzuckerl.
Offenbar nicht. Aber die Grundidee, neben dem Popfest ein zweites, niederschwelliges, kleineres Festival zu machen, gab es in Wirklichkeit vorher schon. Das Neue Wege Festival gibt es einige Jahre, mit ähnlichem Team wie das Electric Spring. Das Kunsthalle-Foyer wurde da schon bespielt. Die große Bühne war 2015 natürlich neu.
Wie früh kam denn wer auf dich zu?
Kurz nach dem Waves Vienna habe ich von Thomas Heher, der das Electric Spring letztes Jahr im Auftrag des MQ kuratiert hat, zum ersten Mal davon gehört. Er hat mich aber schon vorher – also auch vor der Wienwahl – gefragt, ob wir uns dringend treffen können.
Inwieweit wird das Kurator-Prinzip hier fortgesetzt? Robert Rotifer hat das Popfest drei Jahre lang gemacht …
Es wird sicher nicht so sein, dass Thomas Heher und ich jetzt auf Jahre hinaus das Electric-Spring-Team bilden. Zum Popfest gibt es keine personellen Überschneidungen, aber eine Zusammenarbeit, damit es keine doppelten Bookings o. Ä. gibt. Das Kuratorenteam des Popfests, Kathie (Ankathie Koi, Anm.) und Gerhard Stöger, kenne ich ohnehin gut. Mit Gerhard bin ich über den Falter seit Jahren ohnehin über praktisch alle Platten, die rauskommen, in regelmäßigem Austausch.
Da hat der Falter gerade das Musikprogramm der Stadt Wien übernommen.
Stimmt eigentlich.
Gab es inhaltliche Vorgaben?
Gar nicht. Ich habe die Acts nicht nach einer Vorgabe zusammengestellt. Gerhard Stöger meinte, man muss sich im Klaren sein, ob das Popfest die Gegenwart abbilden will, die letzten Jahre oder den spezifischen Blick der Person auf eine Szene. Schwierig. Im besten Fall natürlich alles. Letztes Jahr wurden beim Electric Spring ja Möglichkeiten eines elektronischen Songwritertums ausgelotet. Ich bin mehr in experimentelleren Ecken unterwegs. Das stellt ein schönes Kontrastprogramm zum letzten Jahr dar. Das ist sicher durch meinen Geschmack bedingt, aber auch durch den Wunsch, das sichtbarer zu machen. Im besten Fall bietet ein Gratisfestival eine größere Plattform für Acts, die sonst in einer Nische stattfinden.
Auf deine Coverstory im Falter gab es den Vorwurf, dass das nur eine ganz bestimmte Blase ist. Wenn du das hier ähnlich machen solltest, können sich dann all die Leute, die sagen, es gibt da noch so viel mehr elektronische Spielarten … brausen gehen?
(lacht) Gute Frage. Ich bin allgemein sehr harmoniebedürftig und am liebsten würde ich ein Line-up machen, das alle fair finden. Das ist wirklich so. Ich lerne gerade, dass das nicht möglich ist. Für mich ist das immer noch komisch. Wenn jemand mit Kritik an meinen Texten Recht hat, wenn ich etwas übersehen oder jemand vergessen habe, dann trifft mich das sehr. Ich glaube schon, dass das Programm heuer mehr Szenen miteinbezieht. Ich kenne mich aber bei manchen Szenen nicht aus und es gibt viele Dinge, von denen ich leider nicht die geringste Ahnung habe. Und es wird mir extrem leid tun.
Wirst du dir Kommentare auf DerStandard.at dazu durchlesen?
Ich würde es gerne nicht tun. Aber ich werde es die ganze Zeit machen und völlig fertig sein. (lacht) Ich nehme mir diese Dinge sehr zu Herzen. Ich bekommen ja wenig Feedback, und öfter melden sich nette Leute. Die paar aber, die etwas Scheiße finden, meine Stimme zum Beispiel, so etwas trifft mich voll. Ich wünschte es wäre nicht so. Aber ja, ich werde das lesen und es wird mich kränken.
Mit Nazar gab es letztes Jahr einen großen Rap-Act.
Ich hab mich letztes Jahr in die Diskussion nicht eingemischt, aber das hätte ich ganz locker vertreten können. Das hätte ich ohne mit der Wimper zu zucken verteidigt.
Aso, ja. Ich meinte eigentlich den Stellenwert von Hip Hop am Electric Spring.
Es wird kein Festival ohne Hip Hop sein. Aber der Fokus wird ein anderer sein. Die Vorgabe ist sehr frei. Bei electronic passt ja fast alles, was nicht Singer-Songwriter ist, mit rein.
Wer redet am Programm mit?
Bei den Treffen sind Michael Duscher vom Museumsquartier, Thomas Heher und manchmal Patricio Salgado von der Stadt Wien aus dem Team von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny. Ich schlage vor. Sie stehen da sehr hinter mir, weil es den Wunsch gibt, dass es meine Handschrift tragen soll. Wir sind uns bei vielem auch überraschend einig. Sie melden nur wenige Dinge an, wie etwa zugkräftige Headliner für die Hauptbühne. Ich brauche aber auch das Gespräch und den Austausch.
Das klingt so, als wäre das Programm ziemlich fertig.
In meinem Kopf ist es das. Es ist aber noch nicht gebucht. Ich stell den Erstkontakt her, der Thomas Heher macht dann netterweise alles andere. Ich kann nämlich einfach keine Gagen verhandeln.
Wie viele Acts hast du in deinem Leben denn schon gebucht?
Na noch keinen. Am Tag nach unserem ersten Treffen habe ich einen Act auf Facebook angeschrieben: Hallooo, ich hab dich mal interviewt, hättest Lust zu spielen? Da hab ich gleich das Datum vergessen. (lacht) Da war das aber einfach noch zu früh. Wir schauen, was möglich ist, einige sind in konkreten Verhandlungen und einige wissen noch nichts davon.
Bei einer Taxifahrt fanden Kathi Seidler und Philipp L’Heritier ein Gespräch von Max Zeller und mir über Gagenhöhen sehr langweilig.
Was, echt? Oje, mach bitte, dass ich sympathisch rüberkomme in dem Interview.
(lacht) Das ist es doch, weil ihr euch eben für die Musik interessiert. Aber weißt du, wieviel Wanda fürs Nova Rock bekommen?
Ja, schon. Dass die fünfstellige Summen bekommen, weiß ich. Das Spiel, wer vorher eine Summe nennt, finde ich aber ganz komisch. Bei manchen weiß man das. Und es gibt auch Berechnungsmethoden. Da bin ich heilfroh, dass ich das nicht machen muss. Denn natürlich ist es ein Wahnsinn jemandem zu sagen, das bist du uns wert.
Wenn die öffentliche Hand dabei ist, muss man fair bezahlen. Aber andererseits nicht so hoch, dass man die Preise für alle anderen kaputt macht.
Die Vorstellung, das hauptberuflich zu machen, ist für mich ein Wahnsinn. Ich versteh jetzt zum ersten Mal, was so ein Festival für ein Aufwand ist. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie lang man da hin- und herschreiben muss. Dass die Hälfte des Budgets für alles Drumherum draufgeht. Ich wollte auf einen großen Punkt für mehr Acts verzichten, da bin ich gleich ausgelacht worden, das ging natürlich nicht.
Die Stadt Wien macht ja sehr viele Gratisfestivals. Sind die ein Problem und machen sie – wie manche meinen – die lokalen Szene kaputt?
Die ehrliche Antwort ist: Ich weiß es nicht. Das ist ja die erste Frage, die man sich stellt. Die muss auch kommen. Ich fand eure Story dazu sehr gut, in der ihr drei Leute aus der Szene befragt habt, an die ich mich auch ein wenig klammere. Ich kann aus meinem Bekanntenkreis sagen, dass wirklich alle zu diesen Gratis-Events gehen, auch die Leute, die sonst nie ins Rhiz, Fluc oder auf Konzerte gehen. Da sind schon welche zu Fans von Elektro Guzzi geworden. Wenn das dann Leute dazu bringt, aufs Donaufestival zu fahren oder unter der Woche ins Flex, dann ist das natürlich ein Idealfall. Da steckt die Grundidee dahinter, einen niederschwelligen Zugang zu Kultur zu bieten, zu Acts, die man sonst vielleicht nicht mitbekommt. Bei Wanda ist das anders …
Was das grad ein Diss gegen die FM4-Bühne am Donauinselfest?
Waren die da? Ach ja stimmt, na bitte (lacht), nein, nein.
Das Programm kommt aus Wien?
Ja, starker Fokus. Obwohl wir natürlich nicht den Meldezettel kontrollieren.
Kann man schon was zu den Bühnen oder dem Drumherum sagen?
Die Bühnen werden ähnlich sein. Neu ist, dass das Electric Spring am Freitag und am Samstag stattfinden wird. Es wird fünf Bühnen geben. In der Halle E ist eine andere Veranstaltung. Drinnen wird es erst losgehen, wenn es draußen vorbei ist. Die Idee war, dieses Jahr mehr Kollektive aus der Wiener Szene mit einzubinden. Zwei Bühnen werden gehostet, und zwar von Marlene Engel von Club Bliss und Shilla Strelka von Struma + Iodine. Das sind einfach zwei der coolsten Menschen in Wien – ich freue mich, dass sie mit dabei sind.
Wie hoch ist das Gesamtbudget?
Uns wurde eine ähnliche Summe wie letztes Jahr in Aussicht gestellt. Weniger als die Hälfte waren für die Künstler. Das waren circa 50.000 Euro. Wir hoffen natürlich sehr, dass das bald durchgeht. Dazu kommt noch ein Anteil, den das MQ beisteuert. Und wir sind noch auf der Suche nach Sponsoren.
Was hältst du eigentlich von Klangkarussell?
Die werden nicht am Electric Spring spielen. (lacht)